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Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne
Autoren: Wilson Tucker
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wäre nichts erspart geblieben.«
    Er zuckte resigniert mit den Schultern. »Der Major hat wirklich den Anfang vom Ende erwischt, was?«
    Katrina schüttelte den Kopf. »Das war bereits das Ende selbst. Amerika hatte seit zwanzig Jahren Krieg geführt und war der Katastrophe ständig näher gekommen. Der Major hat miterlebt, wie die Vereinigten Staaten zerfielen. Von dieser Zeit an hat es keine amerikanische Regierung mehr gegeben. Wir waren nach zwanzig Jahren völlig erschöpft und konnten uns nicht mehr verteidigen.«
    Chaney hörte wie gebannt zu, als Katrina ihm die Entwicklung schilderte. Die Kriege hatten kurz nach den Präsidentschaftswahlen des Jahres 1980 begonnen – kurz nach Chaneys Besuch in Joliet. Arthur Saltus hatte ihr von den beiden ausradierten chinesischen Städten erzählt, und die Chinesen hatten eines Tages im Dezember als Vergeltungsmaßnahme die australische Stadt Darwin zerstört. Der ganze Norden Australiens war radioaktiv verseucht und unbewohnbar gemacht worden. Die Öffentlichkeit erfuhr nie etwas von dem ersten Schlag gegen die chinesischen Städte, sondern bekam eingehämmert, die Zerstörung Darwins sei ein Akt unmenschlicher Brutalität gegenüber der ahnungslosen Zivilbevölkerung. Die Radioaktivität verbreitete sich über die Arafura-See nach Norden und bedrohte die Philippinen. Großbritannien und Australien wandten sich hilfesuchend an die Vereinigten Staaten.
    Der wiedergewählte Präsident und sein Kongreß erklärten der Volksrepublik China eine Woche nach seiner Amtseinführung den Krieg, der inoffiziell bereits seit 1954 geführt wurde. Das Pentagon hatte dem Präsidenten vertraulich zugesichert, ein militärischer Sieg sei innerhalb von drei Wochen zu erreichen. Einige Wochen später mußte der Präsident noch mehr Truppen nach Asien schicken, wo jetzt elf Nationen von den Philippinen bis Pakistan im Westen in den Krieg verwickelt waren. Australien mußte verteidigt werden, und in Korea waren weitere Truppen erforderlich, die wenig später kapitulierten, als Chinesen und Mongolen die Halbinsel eroberten und die Besatzer vertrieben.
    »Der Präsident ist 1980 wiedergewählt und 1984 in seinem Amt bestätigt worden«, berichtete Katrina. »Nachdem Arthur die schrecklichen Nachrichten mitgebracht hatte, konnte der Mann sich nicht mehr beherrschen und hat alles falsch gemacht, was er nur anfing. Er hat dafür gesorgt, daß der Präsident die Möglichkeit bekam, sich beliebig oft wiederwählen zu lassen, und er hat die Verfassung ›für die Dauer des Notstandes‹ außer Kraft gesetzt. Dieser Notstand ist nie zu Ende gegangen. Meeks war der letzte amerikanische Präsident, Brian. Nach ihm hat es keinen mehr gegeben.«
    »Die schrecklichen Schwachen!« murmelte Chaney betroffen, »Hoffentlich lebt er noch, damit er dies alles sehen kann!«
    »Nein, das hat er nicht mehr erlebt«, antwortete Katrina. »Er ist ermordet worden, und die Rebellen haben seine Leiche in das brennende Weiße Haus geworfen. Sie haben Washington als Symbol der Unterdrückung niedergebrannt.«
    »Niedergebrannt! Warte, bis ich ihm das erzähle!«
    Katrina schüttelte leicht den Kopf, als wolle sie ihn zum Schweigen bringen oder ihm widersprechen. »Alles das und viel, viel mehr ist seitdem geschehen, Brian. Diese zwanzig Jahre waren eine schwere Prüfung; die letzten Jahre waren geradezu lähmend. Das Leben kam immer mehr zum Stillstand, als entwickle unsere Zivilisation sich allmählich zurück. Es begann mit kleinen Dingen: Zivilisten durften keine Züge und Flugzeuge mehr benutzen, Post kam nur noch zweimal wöchentlich und dann gar nicht mehr, Fernsehsendungen wurden auf Lokalnachrichten nichtmilitärischer Natur beschränkt und hörten ganz auf, als der Krieg schlimmer wurde. Wir waren von der übrigen Welt und selbst von Washington weitgehend isoliert.
    Unsere Lastwagen wurden uns weggenommen, um anderswo eingesetzt zu werden. Wir erhielten weder Lebensmittel noch Arzneimittel noch Kleidung noch Heizöl und mußten uns mit den hier lagernden Vorräten behelfen. Die Soldaten wurden nach Übersee versetzt, so daß nur eine schwache Wachmannschaft in der Station zurückblieb.
    Brian, diese Wache mußte auf Leute aus der Stadt schießen, die den Versuch machten, unsere Lager zu stürmen: In Joliet hatte sich das Gerücht verbreitet, hier seien riesige Vorräte gelagert, und die Menschen waren vor Hunger verzweifelt.«
    Katrina betrachtete ihre Hände. »Für uns endeten diese zwanzig Jahre schließlich
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