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Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne
Autoren: Wilson Tucker
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gefallen würde, was dort zu sehen sei.« Chaney zuckte grinsend mit den Schultern. »Schon wieder ein Zitat … Der Kapitän hat mich immer mit meiner Leidenschaft für Dichter und Zitate aufgezogen.«
    »Arthur hat lange auf dich gewartet. Er hat gehofft, daß du früh kommen würdest. Er wollte dich so gern wiedersehen.«
    »Das hätte ich mir auch gewünscht. Hat denn niemand gewußt, wann ich eintreffen würde?«
    »Nein.«
    »Aber warum denn nicht? Das Gyroskop muß doch meinen Kurs zurückgemeldet haben.«
    »Niemand hat dein Ankunftsdatum gekannt; niemand konnte es schätzen«, antwortete Katrina. »Das Gyroskop hat den Kurs nicht mehr gemeldet, nachdem die Energieversorgung hier zusammengebrochen war. Wir wußten nur, wann das passiert war, weil das ZVF plötzlich keine Signale mehr übermittelte. Für uns warst du spurlos verschollen.«
    »Verdammt noch mal! Diese gottverdammten unfehlbaren Ingenieure und ihre gottverdammten unfehlbaren Erfindungen!« Er schwieg verlegen. »Entschuldige bitte, Katrina.« Er griff nach ihren Händen. »Ich habe draußen Arthurs Grab gefunden – ich wollte, ich wäre rechtzeitig gekommen. Und ich hatte mich bereits entschlossen, dir nach meiner Rückkehr nichts von dem Grab zu erzählen und es nicht in meinem Bericht zu erwähnen.« Er starrte sie fragend an. »Das habe ich doch auch nicht getan?«
    »Nein, du hast nichts berichtet.«
    Chaney nickte zufrieden. »Gut, ich kann also noch schweigen. Der Kapitän hat mir das Versprechen abgenommen, dir nichts von eurer zukünftigen Ehe zu erzählen. Das war vor einer Woche oder zehn Tagen, als wir aus Joliet zurückgekommen waren. Aber du hast versucht, mich auszuhorchen, Katrina. Erinnerst du dich noch?«
    Sie lächelte über seine Worte. »Vor einer Woche, als ihr aus Joliet zurückgekommen wart?«
    Chaney hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. »Ich habe leider die schlechte Angewohnheit, überall ins Fettnäpfchen zu treten.«
    Katrina ging mit einem Schulterzucken darüber hinweg. »Ich habe euer Geheimnis erraten, Brian. Ihr habt euch von diesem Tag an beide auffällig anders benommen. Arthur war selbstsicherer, und du hast mich gemieden.«
    »Ich glaube, du hattest dich bereits entschieden. Die ersten Anzeichen waren unverkennbar, Katrina.« Chaney erinnerte sich lebhaft an die Siegesfeier am Abend ihrer Rückkehr.
    »Ich hatte mich schon fast entschieden«, gab Katrina zu, »und die Entscheidung ist wenig später gefallen. Ich habe mich entschieden, als er von seiner letzten Reise verwundet zurückkam. Er war so hilflos und dem Tod nahe, als du und der Arzt ihn aus dem Fahrzeug hoben, daß ich mich sofort für ihn entschieden habe.« Sie sah auf seine Hände hinab, die ihre bedeckten, und hob wieder den Kopf. »Aber ich war mir über deine Absichten im klaren. Ich wußte, daß dich mein Entschluß verletzen würde.«
    Seine Finger schlossen sich fester um ihre. »Längst vorbei und weit weg, Katrina. Ich komme allmählich darüber hinweg.«
    Sie antwortete nicht, weil sie wußte, daß er nur die halbe Wahrheit gesagt hatte.
    »Ich habe mit den Kindern …« Chaney machte eine verlegene Pause. »Dabei sind sie gar keine Kinder! Sie sind älter als ich. Arthur und Kathryn waren dort draußen, aber sie hatten Angst vor mir.«
    Katrina nickte und sah wieder auf seine Hände hinab.
    »Arthur ist zehn Jahre älter als du, glaube ich, aber Kathryn müßte etwa gleichaltrig sein. Tut mir leid, daß ich dir das nicht genauer sagen kann und daß ich nicht weiß, wie lange mein Mann schon tot ist. Wir kennen hier keine Zeit mehr, Brian; wir leben nur von einem Sommer zum anderen. Das ist kein glückliches Dasein.« Nach einigen Sekunden bewegte sie ihre Hände in seinen und sah zu ihm auf. »Die beiden hatten Angst vor dir, weil sie keinen anderen Menschen mehr gesehen haben, seitdem die Station gestürmt wurde, seitdem die Soldaten abgezogen wurden, so daß wir innerhalb der Umzäunung bleiben mußten, um unseres Lebens einigermaßen sicher zu sein. Zwei Winter lang haben wir nicht einmal gewagt, dieses Gebäude zu verlassen.«
    »Die Leute draußen hatten auch Angst vor mir«, stellte Chaney trübselig fest. »Sie sind vor mir fortgelaufen.«
    Katrina starrte ihn verwundert an. Ihr Gesicht drückte Besorgnis aus.
    »Welche Leute? Wo?«
    »Die Familie, die ich jenseits des Zauns gesehen habe – unten am Bahndamm.«
    »Dort draußen lebt niemand mehr«, behauptete sie.
    »Doch, Katrina … ich habe sie selbst gesehen! Ich habe
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