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Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne
Autoren: Wilson Tucker
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hinweg zu und trank einen Schluck.
    Chaney betrachtete den langen Tisch, die erloschenen Lampen an der Decke, die stehengebliebene Wanduhr und die stummen Telefone. »Eigentlich sollte ich hier arbeiten – die Zukunft erforschen.«
    »Dein Auftrag ist nicht mehr wichtig.«
    »Ich muß Seabrooke bei guter Laune erhalten«, fuhr Chaney fort. »Ich kann ihm melden, daß es dort draußen eine Familie gibt: Zumindest eine Familie lebt dort in Frieden. Ich nehme an, daß es noch andere gibt. Es muß andere geben! Weißt du von weiteren Überlebenden, Katrina? Von anderen Menschen?«
    »Zu Anfang hat es noch einige gegeben«, antwortete sie geduldig, »aber das ist schon lange her. Solange wir Strom hatten, haben wir mit anderen Überlebenden Funkverbindung gehabt. Arthur hat Kontakt mit einer kleinen Gruppe in Virginia aufgenommen, die militärisch organisiert in einer unterirdischen Kommandozentrale lebte. Später hat sich auch eine Familie aus Maine gemeldet. Gelegentlich hatten wir Verbindung mit Einzelpersonen im Westen, in den Bergstaaten, aber die Nachrichten waren immer schlecht. Alle verdankten ihr Überleben den gleichen Gründen: einer Reihe glücklicher Umstände oder ihrer Geschicklichkeit und ihrer Intelligenz oder weil sie wie wir ungewöhnlich gut geschützt lebten. Ihre Zahl war stets gering, und was sie zu berichten hatten, war nie ermutigend.«
    »Aber einige haben überlebt. Das ist wichtig, Katrina. Wie lange seid ihr schon allein hier?«
    »Seit der Rebellion, seit dem Jahr, in dem der Major umgekommen ist.«
    Chaney runzelte die Stirn. »Das wären …« Er versuchte Katrinas Alter zu schätzen. »Also seit etwa dreißig Jahren?«
    »Vielleicht.«
    »Aber was ist aus den anderen Leuten geworden, die hier gelebt haben?«
    »Die Soldaten wurden gleich zu Anfang abgezogen«, erklärte sie ihm, »und nach Übersee geschickt. Die wenigen Wachposten sind gefallen, als die Station von den Rebellen erobert wurde. Einige wenige Techniker sind bei uns geblieben, aber sie haben uns später verlassen, um nach ihren Familien zu suchen. In Arthurs Jahr war das Laboratorium bereits leer. Wir erhielten den Befehl, vorläufig in den Untergrund zu gehen.«
    Vorläufig … Und wie lange hat dieser Zustand gedauert?«
    Die scharfen alten Augen studierten ihn. »Ich glaube, daß er erst jetzt zu Ende geht, Brian. Deine Beschreibung der Familie jenseits des Zauns läßt darauf schließen, daß wir ihn als beendet ansehen können.«
    »Und wir sind die beiden einzigen, die den Friedensvertrag unterzeichnen und sich den Kameras stellen können«, meinte Chaney trübselig. »Seabrooke?«
    »Mr. Seabrooke hat seinen Posten kurz nach euren drei Starts verloren; er ist fristlos entlassen worden. Soviel ich weiß, wollte er nach South Dakota zurück. Der Präsident hat ihm die Schuld am Fehlschlagen des Unternehmens gegeben. Seabrooke mußte als Prügelknabe herhalten.«
    Chaney schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Ich habe doch gesagt, daß der Kerl ein Trottel ist! Einer der vielen Schwachsinnigen, die im Weißen Haus herumhocken. Katrina, ich verstehe nicht, wie dieses Land trotz solcher Dummköpfe an der Spitze so lange überleben konnte.«
    »Das hat es nicht, Brian«, wandte sie leise ein.
    Er murmelte einen Fluch vor sich hin und starrte den staubigen Tisch an. »Entschuldige, Katrin.«
    Sie nickte wortlos.
    Ihm fiel etwas ein. »Was ist übrigens aus den Vereinigten Stabschefs geworden, die den Präsidenten absetzen wollten?«
    Katrina schloß kurz die Augen, als wolle sie die Vergangenheit nicht an sich heranlassen. »Die beiden Generäle und der Admiral wurden zum Tod durch Erschießen verurteilt und öffentlich hingerichtet. Der Präsident war entschlossen, ein Exempel zu statuieren. Alle Ämter blieben geschlossen, und die Kinder bekamen schulfrei, damit sie die Hinrichtung im Fernsehen verfolgen konnten. Das war ein gräßliches, deprimierendes Schauspiel, Brian. Ich habe ihn von diesem Tag an gehaßt.«
    Chaney starrte sie an. »Und ich muß zurück und ihm erklären, was er tun wird. Eine schöne Aufgabe!« Er warf seine Tasse an die Wand. »Katrina, ich wollte, du hättest mich nie am Strand gefunden. Ich wollte, ich wäre fortgelaufen oder hätte dich ins Meer geworfen oder hätte dich nach Israel entführt. Irgend etwas anderes – nur das hier nicht!«
    Sie lächelte wieder. »Aber das hätte uns nichts genutzt, Brian. Die Arabische Föderation hat Israel überrannt und die Israeli ins Meer getrieben. Uns
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