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Das italienische Maedchen

Das italienische Maedchen

Titel: Das italienische Maedchen
Autoren: Lucinda Riley
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besuchte ich den Gottesdienst, und jeden Tag bediente ich im Café. Andere Mädchen meiner Klasse schwärmten für Filmstars und experimentierten mit Make-up und Zigaretten, doch ich hatte nur einen Traum: eines Tages mit dem Mann, der mir diesen Weg gewiesen hatte, auf der Bühne der Mailänder Scala zu singen. Ich musste oft an Roberto denken und glaubte … hoffte, dass seine Gedanken auch manchmal zu mir wanderten.
    Carlotta besuchte uns mit ihrer entzückenden Tochter Ella oft im Café. Inzwischen weiß ich, wie unglücklich sie sich fühlte. Ihre Lebhaftigkeit und der Glanz in ihren Augen waren verschwunden. Natürlich hatte ich damals keine Ahnung, warum …

4
    Neapel, Mai 1972
    »Guten Tag, Rosanna. Setz dich.« Luigi deutete auf einen Sessel neben dem riesigen Marmorkamin im Musikzimmer.
    Rosanna tat, wie ihr geheißen, und Luigi nahm auf dem Sessel ihr gegenüber Platz.
    »Nun kommst du schon fünf Jahre lang zweimal im Monat zu mir. Soweit ich mich erinnere, hast du keine einzige Stunde versäumt.«
    »Das stimmt«, bestätigte Rosanna.
    »In diesen fünf Jahren haben wir die Grundlagen des Belcanto gemeistert. Wir haben die Übungen so oft durchgeführt, dass du sie im Schlaf beherrschst, nicht wahr?«
    »Ja, Luigi.«
    »Wir haben Aufführungen im Teatro San Carlo gesehen, uns mit den großen Opern beschäftigt, ihre Geschichten erkundet und die Persönlichkeiten der Figuren erforscht, die du möglicherweise eines Tages darstellen wirst.«
    »Ja.«
    »Was bedeutet, dass deine Stimme nun in jeder Hinsicht vorbereitet ist. Rosanna …« Luigi schwieg kurz. »Ich habe dir alles beigebracht, was ich weiß. Ich kann dich nichts mehr lehren.«
    »Luigi, ich …«
    Er nahm ihre Hände in die seinen. »Rosanna, bitte. Erinnerst du dich noch, wie du das erste Mal mit deinem Bruder bei mir warst? Und wie ich dir damals gesagt habe, ich könnte noch nicht beurteilen, ob sich deine Stimme mit dir weiterentwickeln würde?«
    Rosanna nickte.
    »Nun, sie hat sich entwickelt, und zwar zu etwas so Außergewöhnlichem, dass ich es nicht für mich behalten darf. Rosanna, du musst in die Zukunft blicken. Du bist fast siebzehn und solltest eine richtige Musikschule besuchen, die dir geben kann, wozu ich nicht in der Lage bin.«
    »Aber …«
    »Ich weiß, ich weiß«, seufzte Luigi. »Deine Eltern ahnen nach wie vor nichts von deinen Besuchen hier. Bestimmt hoffen sie, dass du, wenn du diesen Sommer die Schule abschließt, einen netten Jungen kennenlernst, heiratest und ihnen viele Enkel schenkst. Stimmt’s?«
    »Ja, leider, Luigi.«
    »Rosanna, du besitzt eine Gottesgabe, doch diese Gabe bringt Mühen mit sich und schwierige Entscheidungen. Nur du kannst beurteilen, ob du bereit bist, sie zu treffen. Es liegt bei dir.«
    »Luigi, in den vergangenen fünf Jahren habe ich nur für die Stunden bei Ihnen gelebt. Es war mir egal, wenn Papà mich angeschrien oder Mamma mich jeden Abend im Café hat bedienen lassen, weil ich mich immer mit dem Gedanken trösten konnte hierherzukommen.« Rosanna traten Tränen in die Augen. »Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als zu singen. Aber was soll ich machen? Meine Eltern haben kein Geld für die Musikschule.«
    »Ganz ruhig, Rosanna. Genau das wollte ich hören: Dass du dir mit aller Macht wünschst, dein Leben dem Gesang zu widmen. Ich bin mir über die finanzielle Situation deiner Eltern im Klaren und glaube, eine Lösung zu wissen. In sechs Wochen möchte ich hier eine Soiree, einen Musikabend, veranstalten«, erklärte Luigi. »Dabei sollen alle meine Schüler auftreten. Zu dieser Soiree habe ich meinen guten Freund Paolo de Vito eingeladen, den künstlerischen Leiter der Mailänder Scala. Paolo steht auch der scuola di musica der Scala vor, die, wie du vermutlich weißt, die beste Musikschule Italiens ist. Ich habe Paolo von dir erzählt, und er will von Mailand hierherfahren, um dich singen zu hören. Wenn er deine Stimme wie ich für etwas ganz Besonderes hält, ist er möglicherweise bereit, dir zu einem Stipendium für die Schule zu verhelfen.«
    »Wirklich?« Rosannas Augen begannen zu leuchten.
    »Ja, wirklich. Ich würde vorschlagen, dass du deine Eltern zu meiner Soiree einlädst. Wenn sie Menschen kennenlernen, die das Talent ihrer Tochter zu würdigen wissen, könnte dir das helfen.«
    »Luigi, sie werden schrecklich wütend sein, dass ich sie all die Jahre hintergangen habe. Außerdem glaube ich nicht, dass sie kommen würden.« Sie schüttelte deprimiert den
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