Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das italienische Maedchen

Das italienische Maedchen

Titel: Das italienische Maedchen
Autoren: Lucinda Riley
Vom Netzwerk:
schicken.«
    »Tatsächlich?« Vivek runzelte die Stirn. »Warum wohl?«
    »Wer weiß schon, was im Kopf meiner Mutter vorgeht?«, seufzte Muna.
    »Dann sag ich ihm das mal lieber. Ich weiß, dass er bald wieder aufbrechen wollte, weil er morgen früh einen geschäftlichen Termin in Mumbai hat.«
    »Dieses eine Mal muss ihm seine Familie wichtiger sein«, sagte Samina entschlossen. »Ich gehe zu ihm.«
    Als Ari von seiner Mutter erfuhr, dass seine Urgroßmutter in einer Stunde mit ihm sprechen wolle, war er darüber, wie sein Vater vermutet hatte, alles andere als glücklich.
    »Ich darf den Flieger nicht verpassen«, erklärte er. »Ma, ich muss mich um mein Geschäft kümmern.«
    »Dann soll dein Vater seiner Großmutter beibringen, dass ihr ältester Urenkel an ihrem einhundertsten Geburtstag nicht die Zeit erübrigen kann, mit ihr zu sprechen.«
    »Aber Ma …« Als Ari die grimmige Miene seiner Mutter sah, seufzte er. »Okay.« Er nickte. »Ich bleibe. Entschuldige mich bitte. Ich muss versuchen, hier irgendwo Handyempfang zu kriegen und den Termin morgen zu verschieben.«
    Samina sah ihrem Sohn nach. Er war immer schon eigensinnig gewesen und als ihr Erstgeborener von ihr verhätschelt worden. Sie hatte Ari von Anfang an als etwas Besonderes empfunden, von dem Moment an, als sie das erste Mal verblüfft in seine blauen Augen blickte. Vivek hatte im Scherz ihre eheliche Treue infrage gestellt, bis sie von Anahita erfuhren, dass Munas toter Vater ebenfalls blaue Augen gehabt hatte.
    Aris Haut war heller als die seiner Geschwister, sein ungewöhnliches Aussehen erregte Aufsehen. Aufgrund der Aufmerksamkeit, die er in seinen fünfundzwanzig Lebensjahren geerntet hatte, besaß er ein gewisses Maß an Arroganz, die allerdings durch seine Gutmütigkeit ausgeglichen wurde. Von ihren Kindern war Ari das liebevollste gewesen. Er hatte ihr immer geholfen, wenn es ein Problem gab – bis zu dem Zeitpunkt, als er nach Mumbai gegangen war, um dort sein eigenes Geschäft aufzubauen …
    Der Ari von heute wirkte härter und ichbezogener, was Samina nicht gefiel. Als sie sich wieder zu ihrem Mann gesellte, betete sie, dass diese Phase bald vorbei wäre.
    »Mein Urenkel kann jetzt hereinkommen«, verkündete Anahita, als Keva sie im Bett aufsetzte und die Kissen aufschüttelte.
    »Ja, Madam. Ich hole ihn.«
    »Ich möchte nicht gestört werden.«
    »Nein, Madam.«
    »Hallo, Nani«, begrüßte Ari sie, als er das Zimmer wenig später forschen Schrittes betrat. »Hast du dich ein bisschen erholt?«
    »Ja.« Anahita deutete auf einen Stuhl. »Ari, bitte setz dich. Tut mir leid, dass ich deine geschäftlichen Termine morgen durcheinanderbringe.«
    Ari spürte, wie er zum zweiten Mal an jenem Tag rot wurde. »Kein Problem.« Wieder fragte er sich, wie sie seine Gedanken lesen konnte.
    »Dein Vater sagt, du lebst in Mumbai und bist ein erfolgreicher Geschäftsmann.«
    »Na ja, ›erfolgreich‹ ist im Moment ein bisschen übertrieben«, entgegnete Ari. »Aber ich arbeite hart.«
    »Wie ich sehe, bist du ehrgeizig. Bestimmt wirst du eines Tages den gewünschten Erfolg haben.«
    »Danke, Nani.«
    Ein Lächeln huschte über Anahitas Gesicht. »Obwohl es dir möglicherweise nicht die Befriedigung verschaffen wird, die du dir erhoffst. Das Leben bietet mehr als Arbeit und Reichtum. Aber das wirst du selber noch merken. Ari, ich möchte dir etwas geben. Bitte öffne den Sekretär mit diesem Schlüssel und nimm die Papiere heraus, die du darin findest.«
    Ari steckte den Schlüssel ins Schloss und holte ein vergilbtes Manuskript aus der Schublade.
    »Was ist das?«, fragte er.
    »Die Lebensgeschichte deiner Urgroßmutter. Geschrieben für meinen verlorenen Sohn, den ich leider nie gefunden habe.«
    Ari bemerkte, dass Anahitas Augen feucht wurden. Vor Jahren hatte sein Vater ihm von diesem Sohn erzählt, der als kleines Kind in England gestorben war, wo seine Urgroßmutter sich während des Ersten Weltkriegs aufgehalten hatte. Wenn Ari sich recht erinnerte, hatte sie ihn vor ihrer Rückkehr nach Indien dort zurücklassen müssen. Offenbar weigerte Anahita sich zu glauben, dass er tot war.
    »Ich dachte …«
    »Bestimmt hat man dir von seiner Sterbeurkunde erzählt. Und dass ich in meiner Trauer den Tod meines geliebten Sohnes nicht akzeptieren kann.«
    Ari rutschte auf seinem Stuhl herum. »Ja, ich kenne die Geschichte«, gab er zu.
    »Ich weiß, was meine Familie denkt, und kann mir vorstellen, was du davon hältst. Doch glaube mir: Es gibt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher