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Das Inferno Roman

Titel: Das Inferno Roman
Autoren: Richard Laymon
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Wunder, dass sie durchgedreht ist, dachte Clint.
    Er zog am Türgriff, aber die Tür war verriegelt. Statt Zeit zu verschwenden, indem er die junge Frau zum Öffnen bewegte, griff er durch das zerbrochene Fenster und fand die Türverriegelung. Er entriegelte die Tür, zog seinen Arm zurück, öffnete weit die Tür und hielt plötzlich zu seiner eigenen Überraschung inne.
    Er hatte gedacht, er würde den Kopf ganz einfach vom Sitz wischen und ihn auf die Straße kullern lassen.

    Aber er schaffte es nicht.
    Das war kein Müll. Kein altes Sandwich oder eine dreckige Serviette. Es war der Kopf eines Mannes, der vor ein paar Minuten noch gelebt hatte.
    Ein Mann, der wahrscheinlich Familie und Freunde und einen Job hatte. Ein Dodgers-Fan, der vielleicht gern mit seinen Kindern ins Stadion ging und Hot Dogs in der Sonne verspeiste … Der nichts Schlimmeres verbrochen hatte, als Beifahrer eines Mannes gewesen zu sein, den das Erdbeben offenbar hatte durchdrehen lassen.
    Clint fasste den Kopf vorsichtig mit beiden Händen. Er war schwerer als erwartet.
    Er trat zurück und hielt den Kopf ein gutes Stück von sich gestreckt, damit kein Blut auf seine Kleidung tropfte. Er trug den Kopf zum auf dem Bürgersteig ausgestreckten Torso und legte ihn dort Hals an Hals nieder. Dabei überkam ihn das dringende Bedürfnis, den Kopf irgendwie wieder mit dem Körper zu verbinden, festzukleben oder knoten oder …
    Ich muss nach Hause!
    Der Kopf rollte ein wenig zur Seite, als er ihn losließ. Nur ein paar Zentimeter.
    Beim Aufrichten entdeckte Clint die Jeans des Toten mitten auf der Kreuzung. Er rannte hin und hob sie auf. Sie sahen sauber aus. Er wischte sich damit das Blut von den Händen und sprintete wieder zum BMW.
    Die Fahrerin sah ihn an. Sie runzelte die Stirn.
    »Alles okay«, sagte Clint. »Ich mache Ihnen nur eben den Dreck hier weg.«
    Sie nickte.
    Er lehnte sich in den Wagen und versuchte, so gut es ging, das Blut vom Sitzbezug zu wischen. Als er einigermaßen
sauber aussah, warf er die Jeans weg und schwang sich auf den Sitz.
    Er zog die Tür zu.
    »Ich heiße Clint Banner«, sagte er und zwang sich, möglichst vertrauenswürdig zu sprechen. »Wie heißen Sie?«
    Sie blinzelte ein paarmal und verzog das Gesicht. Ihre Lippen bewegten sich, aber kein Wort war zu hören.
    »Ihr Name?«
    »Mary«, flüsterte sie, »Davis.«
    »Waren Sie auf dem Weg zur Arbeit, Mary?«
    Ein kaum erkennbares Nicken.
    »Was machen Sie beruflich?«
    »Ich bin Sekretärin. Bei einer Werbeagentur.«
    »Werbung.«
    Sie nickte. Diesmal deutlicher.
    »Okay, wenn das Ihr Job ist, dann fällt heute die Arbeit für Sie aus. Verstehen Sie? Wir hatten ein schwereres Erdbeben. Sie müssen nicht zur Arbeit. Sie müssen nach Hause.« Er betrachtete ihre Hände. Sie hatten sich in ihre Oberschenkel gekrampft, die ausgebreiteten Finger drückten sich fest in den grauen Rockstoff. Sie trug Ringe an beiden Händen, jedoch keinen Verlobungs- oder Ehering. »Haben Sie Familie?«
    Weiteres Nicken.
    »In L. A.?«
    »Chicago.«
    »Dann brauchen Sie sich keine Sorgen um sie zu machen. Was Sie tun müssen, ist schnell und sicher nach Hause kommen. Verstehen Sie das?«
    »Ich … ich weiß nicht.«
    »Wo wohnen Sie?«

    »Santa Monica.«
    »Klasse!«, entfuhr es ihm, und Mary zuckte zusammen. »Klasse«, sagte Clint noch einmal, diesmal sanfter. »Ich werde Ihnen helfen. Ich muss nach Hause zu meiner Frau und meiner Tochter, und mein Wagen ist … unbrauchbar. Ich wohne drüben in West L. A., das ist noch nicht mal ein Umweg für Sie. Sie brauchen mich bloß über die Berge zu bringen. Und ich werde Ihnen helfen. Es wird eine anstrengende Fahrt werden, mit einer Menge Verkehr zwischen hier und dort … Ampeln, die nicht mehr funktionieren … wahrscheinlich sind manche Straßen teilweise blockiert … Keiner kann sagen, was uns erwartet. Wir können uns gegenseitig helfen. Okay?«
    »Was ist mit meinem Unfall?«
    »Machen Sie sich darüber keine Sorgen.«
    »Aber … das ist Unfallflucht.«
    »Heute nicht«, sagte Clint. »Wahrscheinlich könnten Sie diesen Unfall nicht mal melden, wenn Sie es wollten. Und selbst wenn die Telefonleitungen funktionieren , hat die Polizei erst mal viel Dringenderes zu erledigen.«
    »Ich … ich sollte wenigstens versuchen , es zu melden.«
    Clint legte ihr die Hand auf die Schulter. Er drückte sie fest, aber nicht zu fest. »Wir dürfen keine Zeit verlieren, Mary. Wollen Sie heute noch nach Hause kommen?«
    »Ja.«
    »Das will ich auch.
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