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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum
Autoren: Hermann Kant
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Ende war das nicht mehr derselbe Mann, das hatte er auch mir zu danken.
    Gelegentlich heißt es jetzt von mir, ich kehrte ein wenig heftig den Chef hervor.
     
    Als ich Chefredakteur in der Neuen Berliner Rundschau werden sollte, da hatte ich Bedenken, und da sagte der Genosse Kutschen-Meyer zu mir: »Wenn du jetzt kneifst, hast du nischt verstanden, studiert oder nicht, da biste nachträglich durch alle deine Lehrgänge durchgefallen. Von Arbeiter-und-Bauern-Macht reden kann nämlich jeder, aber jetzt sollste ausüben. Ausüben mußt du sie, sonst wird nischt, und, damit ich mich deutlich mache: sonst bleibt auch nischt. Denk bloß nicht, deine Bauchschmerzen sind einmalig; die wiederholen sich auf jede Ebene. Wie ich hier Fahrdienstleiter werden sollte, dachte ich zuerst: Mensch, Meyer, denn siehste aber den Fatzken verdammt ähnlich, der bei Schultheiß immer die Zettel aus sein Fenster geschwenkt hat: ›Meyer, Sie fahren heute Steglitz, aber vergraulen Sie uns nicht die Kundschaft mit Ihren Parolen!‹ Konflikte gibt’s auf jede Ebene, und auf jeder Ebene ist ein Stück Macht. Weil die nämlich konkret ist. Solange du das nicht verstanden hast, weißt du, was du da nicht verstanden hast? Die Grundfrage, mein lieber Intelligenzler. Da haste alles verstanden, bloß det bißken Grundfrage nicht. Das erstemal wie ich den Fritze Wolf wiedergetroffen habe, nach Krieg und Knast und all den Vergnügungen, da war er auf Verschiedenes nicht gut zu sprechen, und der Grund war, er sollte Botschafter in Warschau werden. Dazu hat er nicht gekämpft, hat er gesagt, und ich habe gesagt, ich bin überzeugt, er hat dafür gekämpft, daß da wieder so ein von der Schulenburg oder von Tippelskirch hinkommt. Da war er auf mich auch nicht mehr gut zu sprechen. – Auf alle Ebenen, sag ick dir, detselbe Theater, und auf allen Ebenen steht die Frage: Wer denn sonst, wenn nicht wir? – Nun noch ein persönlicher Gesichtspunkt: Mir würde det ja ein sehr persönliches Vergnügen sein, wenn du hier den Chef machst. Denn wärst du doch in einem bestimmten Sinn mein Nachfolger. Wir wissen ja beide, nach welchen historisch überholten Gesichtspunkten sie mich damals hier reingesetzt haben, aber wenn mal einer die Geschichte von unserem Bilderblatt schreibt, wirst du da als so eine Art Nachfolger von mir auftauchen,und ick werde nicht penibel sein und sagen: Kontenuetät, Leute, genauso looft der Hase, Leitungstätigkeit auf lange Sicht, planmäßige Kaderentwicklung, det hatten wir bei uns in der Rundschau, bevor es die Wörter dafür gab. Warum aber? Weil wir gleich die Machtfrage richtig gestellt haben. – Na ja, bißchen angeben wird man ja wohl noch dürfen, vorausgesetzt, die Fakten stimmen. Jetzt ist aber leider Fakt, daß du dich zierst und nicht weißt, ob du Chef sein sollst. Theoretisch bist du klar in der Machtfrage, aber praktisch hast du einen Rückfall. Erich hat ’n Gedicht gemacht, det kennste: mit Kapitel I und II der Weltgeschichte, und du bist jetzt mit dem Finger in Kapitel I geraten; die Chefs, die du nicht sein möchtest, die stehen in Kapitel I, aber die Macht, die du ausüben sollst, die steht in Kapitel II. Im übrigen ist das so: Du wirst nun an die Kompetenzen gebeten, und außer der Ehre ist das auch ein Auftrag. An der Ehre kannst du dich von mir aus schwer schleppen, aber wenn du den Auftrag nicht annimmst, dann bist du für mich ein grober historischer Irrtum. Da mußt du klarsehen, sonst wird nischt.«
    Soweit der Genosse Kutschen-Meyer, und nun ich: Ich wollte kein grober historischer Irrtum sein und bin an meine neue Arbeit gegangen.
     
    Als die Schiffe meines Generals Kurs auf die Insel Kuba nahmen, und die Schiffe des Gegenadmirals hatten sich vor diese Insel gelegt, und jedermann auf Erden, der in der Schule wenigstens bis zur Division gekommen war, konnte aus Entfernung und Geschwindigkeit den Zeitpunkt der Begegnung ermitteln – als wir alle wußten, der Kurs auf dem Wasser ist nur eine der Bahnen, auf denen jetzt Entscheidung zieht, andere sind abgesteckt seit langem: unter dem Wasser, über dem Wasser in Wolkenhöhe und über dem Wasser in Mondeshöhe – als wir wußten: solche, die in der Schule weit über die einfache Division hinausgekommen waren, hatten sich längst präpariert und gingen nun ins Große Staatenexamen und hätten uns gerne dabeigehabt als Summanden und Multiplikatoren,als Kontrahenten in Divisionen – als wir wissen mußten: Dies kann die Nacht der Nächte sein, dies kann
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