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Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)

Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)

Titel: Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)
Autoren: Lynn Viehl
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1
    »Wir haben schon wieder ’nen Brief von diesem Cyprien gekriegt«, meinte Grace Cho, während sie die Post auf Dr. Alexandra Kellers Tisch legte. Sie tippte mit einem langen Fingernagel auf den obersten Umschlag. »Das M. muss für Mäuse stehen. Er hat sein Angebot verdoppelt.«
    »Noch mal?« Alex legte den schweren Albtraum beiseite, den Luisa Lopez’ Krankenakte darstellte. »Du machst Witze.«
    »Über vier Millionen Mäuse würde ich niemals Witze machen, Boss.« Grace blickte mit einem leicht verärgerten Ausdruck in ihren exotischen schwarzen Augen über den Rand ihrer Lesebrille. »Warum fliegst du nicht einfach da runter und flickst dem Kerl das Gesicht wieder zusammen?«
    Es ging nicht ums Geld. Unter anderen Umständen hätte Alex die OP bei M. Cyprien für ein Zehntel seines ursprünglichen Angebots durchgeführt. Aber jemand, der bereit war, so viel Geld für einen Hausbesuch zu bezahlen, war niemand, den sie als Patienten wollte. Das tat we h – für vier Millionen hätte sie eine Menge bedürftiger Patienten umsonst behandeln könne n – , aber Alex schob den Brief an den Rand des Schreibtisches. »Schick ihm noch eine Absage und eine Überweisungsempfehlung.«
    »Hab ich doch schon sechsmal gemacht«, erinnerte ihre Praxishelferin sie. »Außerdem habe ich ihm zwölf Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Ich kriege langsam einen Komplex.« Sie schob Alex den Brief wieder hin. »Warum rufst du nicht selbst an? Die Nummer steht da unten.«
    Alex ging in Gedanken noch einmal den Terminplan für heute durch. Sie musste zwei Überlebende eines Autounfalls und ein Kleinkind mit einer Gaumenspalte operieren, bevor sie ihre Visite im Krankenhaus machte. Dann noch eine komplizierte Operation am Nachmittag. Und außerdem wollte sie sehen, welche Fortschritte Luisa machte, wenn sie überhaupt welche machte. Sie hatte keine Zeit für M. Cyprien und den Teil seiner Anatomie, den er gerne etwas straffer haben wollte.
    Grace hatte recht; der geheimnisvolle M. würde es vielleicht erst begreifen, wenn Alex es ihm persönlich mitteilte. Aber sie war beschäftigt, und ihr war einfach nicht danach, freundlich zu einem reichen Sack zu sein.
    »Schick ihm noch ein Fax.« Alex holte M. Cypriens neuen Brief aus dem Umschlag. Wie die anderen war auch er auf wunderschönem braun-gelben Leinenpapier gedruckt, auf dem oben ein wichtig aussehendes goldenes Wappen prangte. Das Wappen zeigte ein Schild, auf dem zwei Symbole zu sehen waren: eine stilisierte Vogelkralle und eine Wolke.
    »Faxen funktioniert nicht«, meinte Grace. »Ich kann dir die zeigen, die ich ihm schon geschickt habe.«
    Was bedeutet dieses Wappen? Vorsicht, Tagträumer, Adleralarm? Das Papier roch leicht süßlich, als wäre es mit Parfüm eingesprüht worden. Vielleicht ist er eine Transe . Alex hatte schon viele Geschlechtsumwandlungen vorgenommen und galt als Koryphäe auf diesem Gebiet. Wenn M. Cyprien sich in einer reichen, homosexualitätsfeindlichen Familie im falschen Körper gefangen sa h … »Also schön, ich rufe ihn an.«
    Grace hob zwei Akten und eine zerknüllte Papiertüte an, um an Alex’ Telefon zu gelangen. » Bevor die Reillys kommen.«
    Alex starrte sie an. »Tyrannin!«
    »Drückeberger.« Ungerührt nahm sich die zierliche Koreanerin die Laborberichte, die Alexandra bereits durchgesehen hatte, und ging zurück in den Empfangsbereich.
    Alex las den Brief noch einmal. Unter dem ominösen Wolken-Krallen-Wappen stand M. Cyprien, La Fontaine, New Orleans, Louisiana, USA . Keine Hausnummer und kein Straßenname, keine Postleitzahl, keine E-Mail-Adresse. Als einzige Kontaktmöglichkeit war ganz unten auf der Seite eine Telefonnummer aufgeführ t – die, die Grace schon mehrfach angerufen hatte.
    Vier Millionen Mäuse für eine OP , dachte Alex, während sie die Nummer wählte. Was muss bei ihm so dringend behandelt werden? Vielleicht Verbrennungen? Das erinnerte sie an die andere Arbeit, die heute noch vor ihr lag, und sie klemmte den Hörer zwischen ihrer Wange und ihrer Schulter ein, bevor sie Luisas Akte noch einmal öffnete, um erneut ein paar Daten zu überprüfen. Sie ist jetzt zwei Monate infektionsfrei, also kann ich nächste Woche mit den Hauttransplantationen beginnen. Das Hauptproblem mit den Operationen bei Luisa war allerdings nicht ihre körperliche Verfassung. Die Schmerztherapeutin will sie nicht mehr behandeln, nicht nach dem, was letztes Mal passiert is t …
    Eine freundliche Stimme mit einem leichten
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