Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
ich es einmal dahingehend umschreiben darf: Das Glück harrt des Menschen nicht nur an den weiten Küsten des Meeres!«
    Soweit mein Leihbibliothekar, und nun ich: Ich sehe mich in vollem Einverständnis mit Herrn Geschonnek. Ein Freund von mir hat es mit der Meeresküste versucht, als die von meinem Bibliothekar erwähnten und seither zeitweilig auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik stationierten sowjetischen Streitkräfte sich ihm näherten. Da hat mein Freund geglaubt, auf dem Darß fände ihn niemand; er hatte sich schon recht gemütlich auf eine peninsuläre Robinsonade eingerichtet, als sie ihn fanden. Er war dann einige Zeit im Donbass beschäftigt. Für mich lag der Donbass damals in Sibirien und Moskau auch oder Leningrad; so wollte ich weder in den Donbass noch nach Leningrad. Mein General Klütz hatte es auch nicht gewollt; da hatte er rechtzeitig seine Anwesenheit in entgegengesetzter Richtung erforderlich gemacht, und im Wagen war nicht mehr Platz gewesen, wegen ihm und der Nichten und dem Handgepäck. Ich begab mich in Berlins Rieselfelder, einen Landstrich, von Wasserläufen durchzogen, die der Panke nicht unähnlich sind, diese aber in der Stärke des Geruchs noch ein wenig übertreffen.
    Niemand glaube, die Armisten, die meinen Freund, meinen General, Berlins Bücherbesitzer und auch mich so erschreckten, hätten die duftende Abwässer-Landschaft um die Stadt unbeachtet gelassen; sie schickten ausgesuchte Männer mit starken Nerven auf Patrouille durch das Gelände, und wen sollten die anders suchen, sagte ich mir, als mich.
    So zog ich mich, wenn sie nahten, immer in einen röhrenförmigen Durchfluß zurück. Dort wohnte mein Glück, wenn ich einmal mit Herrn Geschonnek sprechen darf.
    Aber, ach, ich sehnte mich wahrhaft bald nach den weiten Küsten der Meere! Nach den sandigweichen Stränden dort, nach ihren reinigenden Wogen, nach den süßen Brisen und dem freien Wind.
    Ja, nach mehrfach wiederholtem Aufenthalt im Darmsystem der Reichshauptstadt, nach Schweigeminuten in einem Wasser, das wer weiß wer unter sich gelassen, nach Bedenkstunden neben einer nackten toten Ratte, nach Augenblicken der Einkehr, in denen ich hingelagert war auf den schlickigen Grund dieses Stoffwechselkanals von meiner Heimat Metropole, ja, nach einiger Vertrautheit mit dem, was alles dieses Land mir zu bieten wußte, da faßte mich gar die Neugier, wie es denn wohl in Sibirien sei, da riß es mich fast heraus aus der Röhre und wollte mich bis in den Donbass ziehn, da meinte ich: Steppe, Taiga und Tundra, nun denn, meine Lieben, ich komme! Es hat sich so ergeben, daß sie mich nicht gleich haben wollten; der Frühling ging hin und auch der Sommer, und im Herbste trat ich in die Rundschau ein, aber die Neugier auf Sibirien, die hielt an und auch das Reißen nach dem Donbass hin und hin nach Leningrad und in die Taiga, und einmal gab ich dem Reißen nach und stillte meine Neugier, einmal und viele Male noch, und Freundschaft konnte da einfach nicht ausbleiben.
    Und da diese für mich in einer Berliner Rieselröhre begann, unterschreibe ich Herrn Geschonneks Satz: »Das Glück harrt des Menschen nicht nur an den weiten Küsten des Meeres.«
     
    Als ich den Begründer der REBEA, den pensionierten Eisenbahner und Großvater Richard Kist, interviewte, da sagte er zu mir: »Bei allem, was geschehen ist, bei allem Mißgeschick, das mir widerfuhr, bei allem gesellschaftlichen Ungemach, das mir geschah, lege ich doch Wert darauf, für einen Selfmademan zu gelten, und sähe es gern, sähe man fürder in mir ein dahingehendes Exempel.«
    Soweit mein Interviewpartner Kist, und nun ich: Ich hatte auch einen Großvater, und einen Selfmademan hatten wir auch in unserer Familie. Ich kannte diesen nur aus den Berichten jenes; zornige Berichte waren das und so patriotische, daß auch das entscheidende englische Wort in ihnen wie ein deutsches ausgesprochen wurde: Selfmademann.
    Der so Genannte, ein Schwager meines Großvaters, war aus Ratzeburg fortgegangen und nach New York heruntergekommen – Neuyork hieß dieser Ort natürlich für meinen Großvater; er war auch im Kyffhäuser-Bund.
    Der Schwager, mein Großonkel, hatte den dort üblichen Aufstieg vom Golfballjungen zum Golfballproduzenten vollzogen, eine Karriere, die meinem Großvater schon deshalb suspekt bleiben mußte, weil Golf in seinem Ratzeburg ungefähr so bekannt war wie jetzt in meinem Berlin und weil es ein Spiel war, mit dem der Schwager sein Glück
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher