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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum
Autoren: Hermann Kant
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erzählst – könnt ihr das nicht humaner erledigen: saubere Kugel hinters Ohr und damit Heinrich Schlusnus? Wenn du den da mal hättest lachen hören, dann würdest du aber lieber an die Winterhilfe spenden als an die dünne Zicke. Der macht ’ne Kumuluswolke aus dir; so nennt er das, wenn er Laune hat. Und dem seine spärliche Gattin? Das muß doch geradezu aufreibend sein; Mensch, Daffi, die taugt nischt, und dicht hältse bestimmt nicht. Ob du mit einem Weib ein Geheimnis tauschst, oder du sagst es beim nächsten Wunschkonzert durch alle Volksempfänger, das ist Jacke wie Weste. Weiber sind dem lieben Gott sein Pfusch. Um mit einem Vergleiche zu sprechen: Der Mann ist reiner Bohnenkaffee, erste Kameruner Hochlandsorte; die Weiber sind Muckefuck, Kathreiners Ersatzmischung. Wo wir einen Kopf haben, Daffi, da haben die eine Nachahmung; damit es nicht so auffällt, haben sie die langen Haare. Die Frau an sich hat nischt zu besagen; sie hat nur was zu besagen als die Fortsetzung des Mannes in einen niederen Lustbereich – det sagt ein alter Kunde von mir, ein studierter Mann, du kennst ’n, der mit dem Faible für die Hakenbüchsen. Mensch, Daffi, zieh dich zurück aus der schütteren Ursula!«
    Soweit mein zweiter Lehrherr, und nun ich: Ich habe mich zurückgezogen. Man soll seinem Lehrherrn folgen aufs Wort, und ich bin ihm gefolgt, ihm und seinen Worten, bis auf einige Worte. Auch er hat seine Verdienste um mich, der Meister Treder – weiß ich, ob ich nicht ohne ihn längst eine längst verwehte Kumuluswolke wäre, eine von den vielen?
    So will ich ihm den Vorwurf nicht machen, daß seine Bilder vom Verhältnis zwischen Mann und Weib eher farbig alsstimmig gewesen sind. Ich habe mich mehrfach Damen gegenüber als erste Kameruner Hochlandsorte zu geben versucht; mir scheint, es hat etwas humoristisch gewirkt. Womöglich hätte ich einiges damit beschicken können, als Kamerun noch Deutsch-Kamerun war – ich sage seither: Für manches ist man einfach zu spät geboren.
    Aber das mit dem Lustbereich stimmt, nur: wieso eigentlich »nieder«? Darin wieder habe ich sowohl meinem Meister als auch seinem studierten Gewährsmann nie folgen können.
    Doch eines noch habe ich aus meines Lehrherrn Traktat vom Weibe und vom Weibe Ursula und von deren Gatten Helmut und seinen Launen für mein Leben gewinnen können: Die Neigung, hinter die Worte zu sehen und mich nicht gleich, um ein Beispiel zu nennen, mit pastoralen Vorstellungen zu befrieden, wenn mir einer sagt, im Kriege, ach ja, da habe er in einer Güterverwaltung gewirkt. – Ähnliches gilt übrigens für Berufsbezeichnungen wie: Baumeister, Hilfsreferent, Mediziner oder Theologe.
    Ich bin meinem Meister sehr verpflichtet.
     
    Als der Leihbibliothekar Geschonnek in mir einen vertrauenswürdigen Kunden erkannt hatte, da sagte er zu mir: »Sehen Sie, Herr Groth, ›Sternstunden der Menschheit‹ von Stefan Zweig, das Exemplar ist etwas stockfleckig, aber das gehört sich in diesem Falle; es sind Male seiner Herkunft, wenn ich es so ausdrücken darf. Das Werk ist mir lieb, ich leihe es nicht jedem, es erinnert, wie ich sagen darf, an meine Sternstunde. Ein jeder hat eine solche, nicht nur Dostojewskij und die anderen Herren bei Zweig. Meine hat sich im letzten April des letzten Krieges zugetragen. Der Russe kam nach Berlin, und die Bewohner der Stadt sahen ihre Bücher durch; manche warfen wohl auch alle, die sie hatten, fort; man wußte doch nicht. Es hat viele Methoden gegeben, die verdächtigen Werke aus den Häusern zu schaffen; eine war, man warf sie ins Wasser. Man warf sie sogar in die Panke; der April hatte ihren Pegel etwas gehoben. Ich war schon damals Invalide,und ich wohnte unweit der Panke, und als ich das mäßige Flüßchen voller schwimmenden Schriftguts sah, da hatte ich, wenn ich es so formulieren darf, meine Sternstunde. Aus Neugier zunächst und dann aus tieferem Interesse zog ich das Treibgut ans Ufer, wandelte es so in Strandgut, und da ich wissen durfte: Hiervon wollte niemand mehr Eigentümer sein, setzte ich das Jus litoris wieder in Kraft – Sie sollten wissen, ich war einmal bei Gerichte beschäftigt – und erhob einen Anspruch auf die feuchten Fundsachen. Das meiste zwar habe ich der Panke im Handumdrehen zurückerstattet, gleich einundzwanzigmal den ›Mythus des 20. Jahrhunderts‹, aber ein Rest blieb; daraus ist Geschonneks Leihbücherei erwachsen. Das Werk da in Ihren Händen und die Wasserflecken darauf erinnern noch daran. Wenn
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