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Das Hexenschiff

Das Hexenschiff

Titel: Das Hexenschiff
Autoren: Jason Dark
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lief. Über fünf Minuten vergingen, als plötzlich ein Ruck durch seine Gestalt fuhr. Aufrecht setzte er sich hin, beugte den Oberkörper vor, und ich hörte Bills flüsternde Stimme.
    »Jetzt geht's los.«
    Der Reporter hatte recht. Flavio Bucci schlug seine Hand um den goldenen Füllfederhalter. Die Augen glänzten seltsam, er atmete tief ein und beugte sich vor.
    Bucci begann zu schreiben!
    Wie er das tat, war schon ungewöhnlich!
    Plötzlich glitt seine Hand über das Papier, als würde sie von einem unsichtbaren Helfer geführt. Ich habe noch nie jemand so schnell schreiben sehen. Das Licht der Lampe reichte aus, um die rechte Hand beobachten zu können, die über das Papier glitt, als wäre es eingeschmiert worden.
    Wir waren beeindruckt. So etwas bekam man nur durch lange Übung. Etwas jedoch stimmte daran nicht. Der Füller schrieb normal, also blau und nicht rot, wie Bill behauptet hatte, um mich für einen Besuch zu überzeugen.
    Das erste Blatt war voll. Bucci riß es ab. Achtlos schleuderte er es zu Boden, um sofort auf dem zweiten Blatt weiterzuschreiben. Ich schaute nicht mehr seine Hand an, sondern beobachtete das Gesicht des Mannes.
    Zum Glück hatte sich Bucci so weit vorgebeugt, daß auch sein Kopf vom Licht getroffen wurde.
    Deshalb sah ich seine Haut sehr genau.
    Sie wirkte noch sehr glatt, war aber auch dünn; die Adern zeichneten sich unter ihr ab.
    Er arbeitete wie eine Maschine. Auch das zweite Blatt schrieb er voll. Als er es abriß, griff ich zu. Er merkte kaum, daß ich es ihm aus der Hand nahm, und ich schaute nach, was er geschrieben hatte. Es waren Worte in einer fremden Sprache. Wahrscheinlich Latein. Ich konnte es aber nicht genau feststellen, denn die Schrift war unleserlich.
    »John, da!«
    Bill hatte mir die Worte zugerufen. Ich enttäuschte ihn nicht und schaute wieder auf Bucci.
    Er schrieb. Diesmal jedoch mit roter Tinte.
    Oder war es Blut? Im ersten Moment sagte ich nichts. Ich mußte zugeben, daß es mich überrascht hatte, und Bill sagte leise: »Da hast du es.«
    Überzeugt war ich noch nicht. »Es gibt auch Füller, die zwei-und mehrfarbig schreiben.«
    »Schon, aber…«
    Ich hörte nicht mehr hin, was Bill sagte, denn ich wollte mich davon überzeugen, ob er tatsächlich mit Blut schrieb. Als ich um den Schreibtisch herumging, hörte er plötzlich auf. Er hatte drei Reihen geschrieben, als seine Hand auf dem Papier liegenblieb und sich überhaupt nicht mehr rührte.
    Weshalb nicht?
    Auch Bill hatte es nicht mehr auf seinem Stuhl gehalten. Er war ebenfalls aufgestanden und kam um den Tisch herum. An der anderen Seite des Mannes blieb er stehen.
    Wir sprachen kein Wort, auch Flavio Bucci redete nicht. Vielleicht benötigte er eine Pause, denn schreiben strengt bekanntlich an. Und es wird noch anstrengender, wenn man sehr schnell schreibt. Er begann zu reden. Flüsternde Worte drangen über seine Lippen. »Ich werde nicht mehr schreiben können, denn sie ist da. Die Botschaft…«
    »Welche?« fragte Bill.
    Ich war da skeptischer und hatte das Gefühl, Bucci wollte uns etwas vormachen.
    »Ich… ich kann sie nicht schreiben. Ich muß sie…«
    Sein nächstes Wort ging in einem Gemurmel unter.
    Ich machte die Probe aufs Exempel, tauchte den Finger in das soeben Geschriebene und leckte an der roten Spitze, um nachzuschmecken, ob es sich dabei tatsächlich um Blut handelte.
    Ja, es war Blut!
    Zwar hatte ich noch keine Tinte probiert, die schmeckte sicherlich anders.
    Über den Kopf des Geisterschreibers hinweg warf ich meinem Freund Bill einen bedeutsamen Blick zu und nickte dabei.
    Bill verstand.
    »Weshalb schreiben Sie nicht weiter, Mr. Bucci?« sprach ich ihn noch einmal an.
    Er hörte mich überhaupt nicht. Dennoch erfolgte von ihm aus eine Reaktion.
    Seine Hand zuckte. Allerdings berührte die Spitze des Füllfederhalters nicht das Papier. Dies geschah eine Sekunde später, und Flavio Bucci blieb bei seiner Aussage. Er schrieb nicht mehr, sondern begann damit, zu zeichnen. Zuerst einen geschwungenen, leicht senkrecht verlaufenden Strich, der in einen waagerechten mündete. Ihn zog Bucci durch, ging wieder senkrecht hoch und malte einen Gegenstand, den wir ohne Mühe als ein Schiff identifizierten.
    Den Rumpf hatte er bereits gezeichnet, als er sich daranmachte, das Deck zu bemalen.
    Aufbauten entstanden. Ein Ruderhaus, ein Mast und ein großes Segel, in das er ein Gesicht hineinmalte, das in etwa Ähnlichkeit mit dem des Teufels aufwies.
    Mir kam unser Hongkong-Abenteuer
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