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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz
Autoren: Hanni Muenzer
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haben nur noch ein Dach über dem Kopf, weil
sich bisher kein Gläubiger dieses hinfällige Gemäuer, das sich hochtrabend Burg
schimpft, antun mochte. Piero wird Vater noch ins Grab bringen. Sogar seine
noble Angetraute, die schöne Belinda und deren Sippschaft, scheinen die Nase
gestrichen voll von ihm zu haben. Sie weigern sich, weiter für seine Schulden
aufzukommen. Verständlich, warum sollten sie sich auch, wie Vater, ihr letztes
Hemd von ihm stehlen lassen?“, ergänzte sie bitter. „Um seinen Kopf aus der
Schlinge zu ziehen, hat mich mein feiner Bruder einem reichen Mann als Braut
verkauft. Sicherlich einer von Pieros Kumpanen, mit dem er seine
Ausschweifungen teilt. Oh Serafina, was soll ich nur tun, mein Leben ist zu
Ende …“ Emilia barg ihr Gesicht in den Händen.
    Kater Paridi
fühlte sich in seiner Bequemlichkeit beeinträchtigt und hob den edlen Kopf.
Seine gelben Raubtieraugen enthielten die unmissverständliche Aufforderung, ihn
weiter zu kraulen, anstatt herumzuflennen. Schließlich sprang er von ihrem
Schoß, trabte unter den Tisch und ließ sich beleidigt dort nieder.
    Endlich
trocknete Emilia ihre Wangen mit einem Zipfel ihres nicht mehr ganz sauberen
Kleides, was einen Schmutzfleck auf ihrer Wange hinterließ. Serafina bemerkte
den dunklen Streifen, widerstand jedoch dem Drang, ihre Freundin darauf
aufmerksam zu machen.
    Emilia
blickte auf. Ihre nun beinahe violetten Augen begegneten dem ruhigen,
bernsteinfarbenen Blick Serafinas. Die Aufforderung darin glich einem stummen
Schrei: Hilf mir, einen Ausweg zu finden!
    So war es
schon immer zwischen ihnen beiden gewesen: Emilia ritt sich in die Tinte und
Serafina holte für sie die Kastanien aus dem Feuer. Serafina konnte zwar
Emilias Aufregung nachvollziehen, aber keine echte Katastrophe darin sehen.
„Ich weiß, was du von mir erwartest, aber ich fürchte, in diesem Fall sind mir
Grenzen gesetzt“, erwiderte sie. „Außer …“, fuhr sie mit einem spitzbübischem
Grinsen fort, und Emilia richtete sich sofort erwartungsvoll auf.
    Eigentlich
hätte sie das Lächeln ihrer Freundin warnen sollen. Meist leitete es einen von
Serafinas Einfällen ein, die sie selbst höchst spaßig fand - wobei die
Betroffenen ihren Humor selten teilen konnten.
    „Nun sag
schon“, forderte Emilia sie atemlos auf.
    „Wir sind
uns ähnlich und haben die gleiche Statur. Bis auf mein blondes Haar natürlich.
Aber ich könnte es mir mit der Essenz aus Nusswurz schwarz färben. Der Herzog
hat dich nie gesehen, oder? Was hältst du davon, wenn ich den Mann an deiner
Statt heiraten würde? Das wäre ein Spaß. Stell dir vor! Ich, der Hexen-Bastard,
als Frau eines Herzogs! Ich würde in Samt und Seide gehen …“, Serafina war
aufgesprungen und schritt mit in die Hüfte gestemmten Händen vor ihr auf und ab,
„und jedermann müsste mich mit Frau Herzogin anreden. Oh ja, das könnte mir
gefallen.“ Sie klatschte in die Hände und strahlte ihre Freundin entwaffnend
an.
    Einige
Sekunden lang musste sich Emilia neu sortieren. An Serafinas Späße gewöhnt,
fand sie einen Scherz zu diesem Zeitpunkt und auf ihre Kosten absolut unpassend.
Heftig sprang sie auf. „Eine feine Freundin bist du, mich so zu verschaukeln“,
fauchte sie.
    Serafina ließ sich prustend in den zweiten Sessel plumpsen.
„Oh, du bist einfach unausstehlich!“ Zornig stampfte Emilia mit ihrem Fuß auf.
„Warum musst du immer nur spotten und mit allem und jedem deine Späße treiben?
Warum kannst du nicht einmal im Leben etwas ernst nehmen?“
    Serafinas
Lachen versiegte. Sie schien weder betroffen noch verärgert. Nachdenklich
richtete sie ihre Augen, die jenen ihres Katers so sehr glichen, auf ihre Freundin.
Als sie ihr antwortete, klang ihr Ton sanft, konnte Emilia jedoch nicht über
die darin enthaltene Tiefgründigkeit hinwegtäuschen. Ihre Worte trafen sie umso
mehr, da Serafina bisher wenig Neigung gezeigt hatte, derartige Einblicke in
ihr Seelenleben zu gewähren: „Nun, Amore mio, womöglich mag es daran liegen,
dass das Leben mich nicht besonders ernst nimmt?“ Die Tochter der Hexe
erhob sich, strich ihr Kleid glatt und sah nach dem Feuer. Es war inzwischen
fast heruntergebrannt. Sie entnahm dem Feuerkorb zwei Scheite. Obwohl Serafina
lediglich eine einfache Hausfrauentätigkeit verrichtete, waren ihre Bewegungen
von eigentümlicher Eleganz geprägt. Sie hatte schöne und gepflegte Hände, und
das lange silberblonde Haar unter der schlichten Haube duftete nach wilden
Blumen. Sie hatte
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