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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz
Autoren: Hanni Muenzer
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verschweigen. Allein der Gedanke, dass auch du, das letzte meiner
Kinder mich verlassen würde, beschwert mein Herz. Die Wahrheit ist, dass ich
bis zum letzten Moment gehofft habe, dass es nicht so weit kommen würde. Doch
diesen Winter hat eine Seuche unsere letzten verbliebenen Schafherden hinweggerafft.
Das ist das Ende. Wir sind ruiniert, meine Kleine. All unser Besitz ist
verkauft oder verpfändet. Bis auf dieses alte Gemäuer …“, seine Hände vollzogen
eine Geste, die den Saal umfasste, „das noch nicht einmal die Gelüste des
Steuereintreibers hat wecken können, bleibt uns nur unser guter Name.“
    „Und da Ihr
kein Hab und Gut mehr habt, das Ihr noch veräußern könnt, verschleudert Ihr nun
auch den letzten Euch verbliebenen Besitz, mich, Eure Tochter!“, begehrte
Emilia auf. „Ich soll also für die Misserfolge, die Ausschweifungen und
Großmannssucht meines Bruders bezahlen? Wozu hat er eigentlich eine reiche
Erbin zur Frau genommen? Warum kommt sie nicht für seine Schulden auf?“
    Die betretene Miene ihres Vaters schien Erklärung genug.
    Mit einer
heftigen Bewegung wandte sie sich ihrem Bruder zu. „So hast du auch die Gunst
der schönen Belinda und ihrer reichen Sippschaft verwirkt?“, giftete sie. „Es
musste ja so weit kommen. Du widerst mich an.“ Emilia spuckte ihm ins Gesicht.
Piero wollte auf sie losgehen, doch der alte Conte ging erneut dazwischen: „Herrgott
noch einmal. Wollt ihr wohl Frieden halten! Und du, Emilia, zügele dich. Was
sind denn das für Sitten? Du führst dich auf wie eine gewöhnliche Bäuerin. Es
stimmt schon, was Tante Colomba sagt: Du verbringst zuviel Zeit mit dem
Dorfpöbel. Damit ist jetzt ein für alle Mal Schluss. Der Herzog von Pescara
wünscht dich zur Frau. Er ist ein angesehener Mann und vor allem legt er keinen
Wert auf eine Mitgift. Du wirst eine Duchessa sein und über ein großes Lehen
gebieten, Emilia, mit Palazzi in Pescara, Rom und Venedig. Du wirst reisen und
über prächtige Kleider und kostbares Geschmeide verfügen. Dazu ist dein künftiger
Gemahl im besten Mannesalter und von angenehmem Äußeren. Was sagst du?“, fragte
ihr Vater und sah sie Beifall heischend an.
    Emilia hatte
ihrem Vater mit wachsendem Groll gelauscht. Nun konnte sie nicht länger an sich
halten. „Was ich dazu sage?“, höhnte sie, „Ich meine, Vater, dass Ihr diesen
Duca anpreist, als wolltet Ihr auf dem Markt von L´Aquila einen Eurer Widder
verkaufen. Sagt, habt Ihr etwa auch mich auf diese Art angepriesen? Was habt
Ihr dem Herzog erzählt? Dass ich gute Zähne und Beine habe und aus einer
hervorragenden Zucht stamme?“
    Das Gesicht
ihres Vaters hatte sich bei ihren Worten rot verfärbt. „Nun ist es aber genug“,
brüllte er. Erneut hieb er mit der Faust auf den Tisch, dass die Gläser
tanzten. „Sieh dich doch einmal hier um. Was siehst du? Alte Fetzen an den
Wänden, schäbige Möbel und durch das Dach regnet es herein, dass uns die Töpfe
ausgehen. Wir sind arm wie die Bettelmäuse. Sieh dich doch selbst an, deine
Kleider sind löchriger als ein Mehlsieb.“ Er maß seine Tochter dabei von Kopf
bis Fuß und zuckte dann zurück, wie ein Mann, der nur eine Redensart hatte
äußern wollen und nun feststellen musste, dass das Augenscheinliche diese noch übertraf.
Emilias Kleid aus braunem Barchent wies in der Tat mehrere Löcher auf, und aus
einem Riss am rechten Reitstiefel lugte gar ein rosiger kleiner Zeh hervor. Der
Anblick dämpfte seinen Zorn. „Ach Kind“, seufzte er und sank auf die Bank
zurück. „Was soll ich nur mit dir machen. Schau, mir ist es selbst weh ums
Herz, dich von hier fortzuschicken. Du bist das Licht meiner alten Tage. Doch du
bist jung und sprühst vor Leben. Hier gibt es nichts für dich, meine Tochter.
Da draußen jedoch wartet eine Welt auf dich! Hol dir deinen Teil davon. Du hast
ein besseres Leben verdient, als hier mit mir und Tante Colomba zu versauern.
Dein Schicksal als Frau ist es zu heiraten, Emilia. Nimm es an.“
    Trotzig
schüttelte Emilia ihren Kopf, dass ihre schwarzen Locken flogen. „Du sprichst
von Schicksal, Vater. Doch was du wirklich meinst, ist, dass ich keine Wahl
habe. Wenn Ihr mich fragt, ist es eine Bürde, als Frau zur Welt gekommen zu
sein. Woher nehmt Ihr bloß Eure Überzeugung zu wissen, was mich glücklich
macht? Habt Ihr mich je danach gefragt? Nein“, antwortete sie selbst darauf.
„Wann hätten mich je Kleider oder Schmuck interessiert? Alles, was ich will,
ist hier in Santo Stefano zu
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