Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz
Autoren: Hanni Muenzer
Vom Netzwerk:
Dabei summte sie leise
ein Lied. Sie warf alles zusammen in den brodelnden Kupferkessel. Über ihr baumelten
von einem Deckenbalken ganze Bündel getrockneter Kräuter. Die junge Frau wählte
einige wenige Stängel aus, rieb sie zwischen Daumen und Zeigefinger, damit sich
das Aroma entfalten konnte und fügte sie dem simmernden Gericht hinzu. Sofort
breitete sich ein köstlicher Duft aus. Serafina tauchte eben einen Holzlöffel
hinein, um zu probieren, als hinter ihr die Haustüre voller Ungestüm aufgerissen
wurde, so dass das Türblatt gegen die Wand krachte. Spätnachmittägliches
Sonnenlicht flutete herein. Serafina musste sich nicht erst umdrehen, um zu
wissen, dass es sich um ihre Freundin Emilia handelte. Kein Mensch machte je
soviel Radau. Ruhig zog sie den Topf von der Feuerstelle. „Meine Güte, Emilia. Was
hast du jetzt wieder angestellt?“
    „Ist deine
Mutter da?“ Emilias Augen glitten durch den Raum, als erwartete sie, dass Donna
Elvira jede Sekunde aus dem Schatten einer Ecke heraustreten würde. Tatsächlich
besaß sie diese besondere Eigenschaft, in den unpassendsten Augenblicken in
Erscheinung zu treten.
    Emilias
Frage entlockte Serafina ein Lächeln. Tatsächlich war ihre Mutter Elvira der
einzige Mensch, dem Emilia - außer ihrem Vater Abelardo - Respekt zollte.
    „Mutter
wurde zu einer Geburt außerhalb gerufen und wird nicht vor morgen Mittag
zurückkehren“, konnte sie ihre Freundin beruhigen. Emilia ließ sich auf den
Sessel vor dem Kamin fallen. Ein prasselndes Feuer verbreitete im Verein mit der Kochstelle wohlige
Wärme. Noch hielten die Nächte in den Bergen das Dorf mit empfindlicher Kälte
umklammert.
    Serafina
ließ sich zu Füßen Emilias auf einer kleinen Bank nieder und wartete darauf,
dass ihre Freundin ihr erzählte, was sie auf dem Herzen hatte. Wie aus dem
Nichts tauchte ein schwarzer Kater auf und landete mit einem eleganten Satz auf
Emilias Schoß. „Ach du bist es, Paridi“, murmelte die junge Frau und
streichelte mechanisch den samtigen Kopf.
    Serafinas
Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Denn diese an den Kater gerichteten
Worte blieben für eine lange Zeit Emilias letzte. Das Schnurren des Katers, das
leise Brodeln des Topfes und das gelegentliche Knacken eines Holzscheits im
Kamin rahmten die Stille ein.
    Endlich
brach es aus Emilia heraus: „Vater hat mich verkauft!“
    Serafina,
hinreichend mit Emilias Hang zur Theatralik vertraut, ließ sich weder durch
ihre Worte noch durch ihre Leichenbittermiene aus der Fassung bringen. „Wie
verkauft? Könntest du mich bitte genauer über deine neuesten Kalamitäten ins
Bild setzen, sonst kann ich dich nicht gebührend bedauern. Also, wo zwickt der
Schuh?“
    „Ja, mach
dich bloß über mich lustig“, fauchte Emilia. „Du hast nichts zu befürchten. Du
bist nicht von Adel und arm! Bei dir würde niemand auf die Idee verfallen, dich
mit einem Lustgreis verheiraten zu wollen.“ Emilia reagierte besonders empört,
da ihre Freundin die über sie hereingebrochene Katastrophe nicht ernst zu
nehmen schien.
    „Das mag
schon stimmen, Amore mio“, antwortete Serafina seltsam friedlich. „Wer würde
mich auch haben wollen? Ich bin die Bastard-Tochter einer Bastard-Hexe, die von
ihrer Bastard-Mutter abstammt … Uns Zauberinnen heiratet man nicht. Ja, du hast
Recht. Ich habe es gut, meine Zukunft ist rosig“, spottete Serafina gutmütig.
„Außerdem, du bist auch arm. Viel ärmer als wir ...“ Serafinas Blick umfasste die
glänzenden Cottofliesen, die gediegenen Möbel und den überquellenden Bücherschrank.
Eine Vitrine an der Wand beherbergte gar den besonderen Stolz von Serafinas
Mutter: Eine Sammlung kostbarer venezianischer Trinkpokale. Ohne Zweifel, die
Geschäfte von Serafinas Mutter, der Hebamme liefen glänzend.
    „Also bitte,
klär mich auf. Du sollst heiraten - soviel habe ich verstanden. Warum so
plötzlich? Hat das mit deinem Bruder Piero zu tun? Ich habe ihn heute im Dorf
gesehen.“
    Die bloße
Nennung von Pieros Namen genügte und Emilias Zorn flackerte erneut auf und sie
schimpfte los. Serafina ließ die Kanonade über sich ergehen. Emilia zu
unterbrechen, wenn sie einmal in vollen Segeln stand, konnte man sich sparen. Endlich
drang ihre Freundin zum Kern ihrer Erregung durch und klärte sie über Pieros
Rolle in ihrem Drama auf: „Dieser hinterhältige Bastard hat es geschafft, uns
mit seinen Fehlspekulationen endgültig ins Unglück zu stürzen. Wir sind am
Ende. Aus, finito. Vater sagt, wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher