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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz
Autoren: Hanni Muenzer
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bleiben, bei Euch. Bitte Vater, ich will nicht
fort von hier.“ Ihre Augen waren ein einziges Flehen und sie griff nach seinen
Händen. Tatsächlich hätte der Conte Emilia allzu gerne nachgegeben. Doch ihm
blieb keine Wahl. Sein Sohn Piero steckte bis über den Hals in Schulden.
Entweder sie wurden bezahlt, oder Piero müsste das Land verlassen. Ihm drohte
ansonsten das Gefängnis. Diese Schmach konnte er nicht zulassen: Der nächste
Conte di Stefano im Schuldenturm! Emilias künftiger Gemahl hatte ihm
zugesichert, alle Schulden Pieros zu begleichen und er würde seinem
Schwiegervater darüber hinaus eine großzügige monatliche Rente gewähren. „Tut
mir leid, mein Liebstes. Aber es ist beschlossen. Du heiratest den Herzog von
Pescara und damit basta!“
    „Oh, wie
einfach Ihr es Euch macht, Vater“, schrie Emilia und sprang auf. „Ihr sagt
basta und die Tochter soll schweigen. Mit welchem Recht verfügt Ihr über mein
Leben?“, schrie sie.
    „Mit dem
Recht des Vaters auf die Tochter. Mit dem Recht des Stärkeren über den
Schwächeren“, brüllte er zurück.
    „Ich bin
nicht schwach“, ereiferte sich Emilia. „Ich bin mindestens so viel wert wie ein
Mann und ich nehme es mit jedem auf! Ihr aber, Ihr verdammt mich dazu, das
Anhängsel eines Herzogs zu sein. Tagsüber darf ich aufgeschirrt wie eine Stute
an seiner Tafel präsidieren und nachts sein Bett wärmen. Wie könnt Ihr mich nur
dazu zwingen, einen mir völlig fremden Mann zu heiraten? Ihr habt Mutter
schließlich auch aus Liebe geheiratet“, brachte Emilia ihren letzten Trumpf aus.
    Der Conte
war bei ihrem heftigen Wortwechsel mehr und mehr angeschwollen. Er sprang auf
und lief erregt gestikulierend vor dem Kamin auf und ab: „Das mit deiner Mutter
war etwas völlig anderes und tut hier nichts zur Sache“, empörte er sich.
„Wirklich, ich muss schon sagen, Emilia! Was sind denn das für rebellische
Reden? Selbst über dein Leben bestimmen zu wollen … Ja, wo kämen wir denn hin,
wenn alle Frauen plötzlich mit solchen Ideen aufwarteten? Das führte ja
geradezu in die Anarchie! Dieser Unsinn stammt sicher aus der Lektüre dieser
verrückten Franzosen, die deine Freundin Serafina seit neuestem anschleppt, äh
…“, er durchforstete sein Gehirn nach den Namen, „Voltarini und Diderotto, oder
wie sie sich sonst schimpfen mögen!“, ereiferte er sich weiter. Er hielt inne,
um kurz Luft zu schöpfen.
    Emilia
nutzte die Pause. „Ihr meintet sicher Voltaire und Diderot. Aber nein, mein
Herr Vater. Hier irrt Ihr Euch“, widersprach sie sanft: „ Das haben mir
die frommen Klarissen zu Assisi beigebracht. Ihre Ordensregel betont
ausdrücklich, dass jede Schwester das Recht auf Eigenverantwortung innehat.“
    „Natürlich,
natürlich. Ansonsten nichts lernen wollen, aber wenn dir eine Kenntnis in den
Kram passt, dann pickst du dir die Rosinen heraus, um mich beizeiten damit zu
bewerfen“, ereiferte sich ihr Vater. „Genug jetzt der Worte. Meine Geduld ist
am Ende. Du heiratest den Duca von Pescara und Schluss! Schon morgen werden die
Abgesandten des Herzogs hier erscheinen, um dich zu ihm zu geleiten. So, und
nun geh´ und richte dein Bündel oder stürze dich meinetwegen vom nächsten
Felsen. Es ist mir einerlei!“ Der Conte verharrte mit zorngerötetem Gesicht vor
Emilia. Wenn er wollte, so konnte sein Temperament durchaus mit dem seiner
Tochter Schritt halten.
    Emilia hatte
aus seiner kurzen Rede nur eines herausgehört: „Schon morgen?“, hauchte sie
fassungslos. Ein Beben durchlief ihren geschmeidigen Körper und ihr Blick wurde
hart wie Diamant. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und schritt mit
hoch erhobenem Kopf hinaus.
    „Bravo,
Vater. Wohl gesprochen. Lasst Euch von dieser Rotzgöre nicht auf der Nase
herumtanzen“, meinte Piero selbstgefällig.
    „Und du, du …
Ach, halt einfach deinen Mund“, blaffte ihn der Vater an. „Hinaus mit dir. Aus
meinen Augen, Nichtsnutz.“
    Schwerfällig
ließ sich der Conte erneut auf der Bank nieder. Er wusste, dass er seine
Tochter heute in zweifacher Hinsicht verloren hatte. Den waidwunden Ausdruck in
ihren Augen würde er wohl nie im Leben vergessen. Trauer und Einsamkeit drohten
ihn zu überwältigten und ein eiserner Ring legte sich um sein Herz und presste
es zusammen, bis der Schmerz schier unerträglich wurde. Den Rest der Nacht
suchte er Trost im Wein.
     
    Serafina la Tedesca war in ihrem Element. Sie schnippelte und
hackte, schnitt und zerkleinerte verschiedene Zutaten.
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