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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers
Autoren: Deon Meyer
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hinausgegangen war. Erst als der große Mann seine Waffe auf den Boden legte, bemerkte sie, daß Van Heerden ihm ein zweiläufiges Gewehr an den Kopf drückte, und er rief ihr zu: »Allison, geh in die Küche, mach die Tür zu«, aber sie war wie erstarrt. Warum konnte sie sich nicht rühren? Warum konnte sie nicht reagieren, fragte sie sich und Van Heerden später wieder und wieder.
    Thobela und der andere Mann standen einander gegenüber, sein Gegner, der mit dem Messer, hatte kleine Augen, die dicht beieinanderlagen, und einen dicken Hals auf breiten Schultern.
    »Tiny«, rief Van Heerden und warf etwas durch das Zimmer, was der Xhosa geschickt auffing.
Tiny
. Die Zeit spulte sich zurück, sie schienen in die Urzeit zu reisen, und der Mann mit dem dicken Hals sagte: »Amsingelly.« Er reckte den Kopf nach vorn und wedelte mit seinem breiten Messer vor sich her.
    »Umzingeli.« Thobelas Stimme war ein tiefes Brummen, dann sagte er sanfter, viel sanfter: »Mayibuye.«
    »Was für eine Scheißsprache ist das, Nigger?«
    »Xhosa.« Allison würde niemals den Ausdruck auf Thobelas Gesicht vergessen, das Licht aus der Küche erhellte es, und es lag etwas Unbeschreibbares darauf, ein merkwürdiger Schein, und dann erst sah sie, was er aufgefangen hatte – das |401|
Assegai
, das sie ihm in dem Souvenirshop in der Long Street gekauft hatte.
     
    Dieses Büro hat keinen Kontakt mehr zu den beiden Agenten aufnehmen können, so daß wir annehmen müssen, daß die Mission kein Erfolg war.
    Inkululeko hat ebenfalls keinerlei Informationen darüber geben können, was in dem Haus, das einem Mitglied der psychologischen Fakultät der hiesigen Universität gehört, vorgefallen ist.
    Wir werden die Angelegenheit weiterverfolgen, müssen Sie aber leider informieren, daß Sie vom Schlimmsten ausgehen müssen.
     
    »Er ist nicht hier«, brüllte Captain Tiger Mazibuko mit so unfaßbarer Wut in das Telefon, daß er zitterte.
    »Tiger …«
    »Der Doktor ist hier, und er sagt, wenn wir nicht innerhalb von fünfzehn Minuten verschwinden, sehen wir die Festplatte nie wieder. Und ein Rotschopf ist auch da; sie sagt, sie sei von der Presse. Hier ist was passiert, Blut klebt an den Wänden, und sämtliche Möbel sind kaputt, aber der Scheißkerl ist nicht hier. Und diese Wichser helfen uns nicht weiter …«
    »Tiger.« Ihre Stimme, streng und scharf, aber er ignorierte sie, er drehte einfach durch. »Nein«, sagte er. »Ich bin fertig. Absolut vollkommen fertig. Ich habe mich schon genügend zum Narren gemacht, mir reicht es. Dafür habe ich nicht zwei gottverfluchte Tage in einer Zelle in Botswana gesessen. Dafür habe ich mich nicht verpflichtet. Ich werde das meinen Leuten nicht zumuten. Es reicht verdammt noch mal.«
    Janina versuchte es ruhig. »Tiger, beruhigen Sie sich …«
    »Gott, Herrje«, sagte er, und er klang, als würde er gleich weinen.
    »Tiger, lassen Sie mich mit dem Doktor sprechen.«
    »Es reicht mir«, sagte er.
    »Tiger, bitte.«
     
    |402| Hoch auf dem Hang des Tygerbergs, im Herzen einer weißen Wohngegend, stieg er aus Van Heerdens Wagen. Er war einen Block von seinem Ziel entfernt, denn wahrscheinlich saßen zwei in einem Auto vor der Tür, und ein oder zwei Bodyguards waren drinnen.
    Thobela ging zügig über den Bürgersteig, er hielt sich im Dunkeln, hier fiel ein Schwarzer um diese Zeit auf. An der Straßenecke hielt er inne. Die Nacht des Kaps umschlang ihn, tausend Märchenlichter flackerten in der Nacht, so weit man sehen konnte. Von Milnerton im Westen zog sich die Küstenlinie bis hinüber zu dem lichtfunkelnden Berg. Die Stadt lag vor ihm wie ein langsam schlagendes Herz, und die Arterien führten hinaus nach Groote Schuur, Observatory, Rosebank und Newlands, und die Flats breiteten sich nach Osten aus, über Khayalitsha und Guguletu nach Kraaifontein und Stellenbosch und Somerset West. Reich und arm, Seite an Seite, schliefen jetzt. Ein ruhender Riese.
    Er stand einfach da, ließ die Hände herunterhängen. Er sah sich um.
    Denn Morgen wäre sein letzter Tag hier.
     
    Irgendwann zwischen drei und vier Uhr nachts regte sich ihr Bewußtsein und ließ sie aus tiefem Schlaf erwachen. Janina Mentz hatte das Gefühl, daß etwas nicht stimmte – es war ein panikartiges, erstickendes Gefühl. Sie zuckte zusammen und riß die Augen auf. Eine große schwarze Hand legte sich über ihren Mund, sie roch ihn, den Schweiß, sie sah das Blut auf der zerrissenen Kleidung, sie sah das kurze
Assegai
in seiner Hand,
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