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Das Herz der Puppe

Das Herz der Puppe

Titel: Das Herz der Puppe
Autoren: Carl Hanser Verlag
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bim-ba-la-bim-bam-bam‹, und als sich die Ziege umdrehte, sah sie einen kleinen grauen Esel kommen.
    ›Warum weinst du?‹, fragte er.
    ›Mein Freund, das Pferd, läuft immer viel zu schnell und lässt mich allein zurück‹, antwortete die kleine Ziege mit von Tränen erstickter Stimme.
    ›Du musst nicht traurig sein‹, sagte der Esel, › ich begleite dich, und ich bin so langsam, dass die Schildkröten schon Witze über mich erzählen.‹
     
     
     
    Da lächelte die Ziege und spazierte gemütlich mit dem Esel davon.
    Am Abend kamen sie erschöpft in einer Oase an, und die Ziege war überglücklich, denn sie hatte an dem Tag so viele Pflanzen, Insekten und kleine Tiere gesehen wie sonst in einem ganzen Jahr nicht. Denn immer, wenn sie stehen geblieben war, um sich ein bisschen auszuruhen, war auch der Esel stehen geblieben, und wenn sie neugierig einen flatternden Schmetterling beobachtete, spielte der Esel mit dem glöckchen, und es klang so schön wie im ersten Augenblick: ›Bim-ba-la-bim, bim-ba-la-bam, bim-ba-la-bim-bam-bam.‹
    Als das Pferd von seinem Ausflug zurückkehrte, war die Ziege nicht da, und von da an zog sie nur noch mit dem Esel herum, den sie schrecklich lieb hatte, weil er schön langsam ging und immer auf sie wartete.«
    »Noch eine geschichte!«, rief die Puppe, als Nina geendet hatte.
    »Nein, erzähl du doch eine«, sagte Nina. »Du hast bestimmt viel erlebt.«
    »Das stimmt, ich bin sehr alt und habe Ohren und Augen, die eine Menge gehört und gesehen haben. Ich kann nur leider nicht so gut erzählen. Aber dafür kann ich Musik für dich machen.«
    »Musik?«, staunte Nina.
    »Ja. Ich spiele Fußflöte. Du wirst deinen Ohren nicht trauen. Es klingt so ähnlich wie Panflöte«, erklärte Widu.
    Nina hatte noch nie etwas von einer Panflöte gehört und von einer Fußflöte schon gar nicht, aber sie sagte nichts.
    »Wenn du willst, spiele ich dir was vor«, sagte Widu, und schneller, als Nina nicken konnte, war die Puppe bei ihrem rechten Fuß angekommen. Über Ninas Zehen schaute sie frech nach oben, dann spürte Nina auch schon ein Kitzeln an der Fußsohle und musste lachen.
    Jetzt wusste Nina, was eine Fußflöte war: Man spielte sie auf den Zehen, und es klang wunderschön, jedenfalls so, wie Widu sie spielte. Ein paarmal musste Nina noch lachen, weil es so kitzelte, wenn Widu über ihre Zehen pustete, aber irgendwann fing sie an zu singen, weil sie die meisten Kinderlieder kannte, deren Melodie Widu so anmutig spielte.
    Die Eltern, die noch in der Küche saßen, hörten Nina singen und wunderten sich ein bisschen. Das Kind sang doch sonst nicht allein im Bett. Wie Widu, so blieb nämlich auch die Flöte für ihre Ohren stumm. Der Vater schaute auf die Uhr.
    »Lass sie, warum soll sie nicht im Bett vor sich hin singen? Morgen ist ja Sonntag«, sagte die Mutter, und der Vater zuckte mit den Achseln.
    Bald hörten die Eltern Nina nicht mehr. Sie war glücklich eingeschlafen. Aber neben ihr blieb Widu noch lange wach. Sie war immer noch so aufgeregt. Sie fragte sich, weshalb sie sich immer in der Nähe von Kindern so freute, warum sie im Puppenland niemals so glücklich war. Manchmal nervten die Kinder natürlich, dann wünschte sie sich die Ruhe in einem Karton oder einer Kiste auf irgendeinem Dachboden, aber höchstens für einen Augenblick. Wenn sie wirklich einmal allein war, wollte sie sofort zu den Kindern zurück. Die Ruhe in einer Kiste erschien ihr dann wie die Langeweile selbst.

Eine Straße ohne Freunde
ist langweilig
    Am nächsten Tag regnete es wieder . Nina stand mit Widu am Fenster, um der Puppe die gegend zu zeigen.
    »Ich sehe keine Kinder. Sind sie alle ausgewandert?«, wollte Widu wissen.
    »In unserer Straße wohnen keine Kinder«, sagte Nina und seufzte. So war es nämlich leider. Seit sie mit ihren Eltern letzten Sommer hergezogen war, hatte sich ihr Leben sehr verändert. Das Haus stand in einer Reihe mehrstöckiger moderner gebäude, die alle gleich aussahen. Sie waren vor Kurzem renoviert und bunt gestrichen worden, seitdem ähnelte die Straße einem Containerhafen, aber langweilig war sie noch immer. Nina störte das nicht mal so sehr. Auch die vierspurige Straße, die ihre Häuserreihe vom Stadtpark trennte, machte ihr nichts aus. Was Nina etwas ausmachte, war, dass der Umzug sie von ihren besten Freundinnen getrennt hatte. Mit ihnen hatte sie den Kindergarten und die ersten drei Schulklassen besucht, und jetzt waren sie alle weit weg. Das war wirklich
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