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Das Herz der Puppe

Das Herz der Puppe

Titel: Das Herz der Puppe
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Bett, gab ihr den kleinen Kuschelaffen Plums an die Seite und rannte in die Küche, denn es war Mittagszeit.
     
    Beim Essen erfuhr Nina, dass dem betrunkenen Autofahrer nichts passiert war, nur das Auto und die Straßenlaterne waren kaputt. Ninas Vater fand den Anblick der schiefen Straßenlaterne komisch, und die Mutter schaute streng zu ihm hin, weil ein Unfall schließlich keine lustige Zirkusnummer war.
    Nina aß sonst nicht so schnell, aber heute musste ihre Mutter sie ermahnen, besser zu kauen. Trotzdem verschlang sie ihre Spaghetti in Windeseile und brauste davon. Die Mutter schüttelte den Kopf.
    »Hast du einen dicken roten Filzstift?«, rief Nina wenig später aus ihrem Zimmer.
    »Einen Filzstift? Ja, warum?«, fragte die Mutter und brachte ihn auch gleich.
    »Ich will ein neues Schild an meiner Tür anbringen. ›Hier wohnen Nina und Widu‹ soll darauf stehen«, erklärte Nina.
    »Wer ist Widu?«, wunderte sich die Mutter.
    »So heißt meine Puppe«, antwortete Nina ungeduldig. »Wiiiiduuu!«
    »Schon gut, schon gut«, sagte die Mutter und gab Nina den Stift.
    Nina setzte sich an ihren Tisch, nahm ein Blatt Papier und malte zuerst einen schönen bunten Rahmen.
     
    Den ganzen Nachmittag verbrachte Nina damit, Widu jedes ihrer Kuscheltiere vorzustellen und ein wenig damit zu spielen.
    Widu war sehr wählerisch. Sie mochte das grinsende Nilpferd nicht und auch nicht den großen Papagei, der auf seiner Stange schaukelte. Er war aus Holz und gar nicht kuschelig, vielleicht konnte Widu deshalb nichts mit ihm anfangen. Am liebsten hatte sie den kleinen Plums und ein schielendes Schaf mit schneeweißem, lockigem Fell und einem traurigen Mund.
     
     
     
    Danach wollte Nina Widu noch all ihre Spiele zeigen, aber die Puppe hatte genug.
    »Pause. Meinen Augen reicht es für heute«, erklärte sie plötzlich und ließ sich auf den Rücken fallen.
    »Na gut«, sagte Nina, legte sich zu ihr auf den Teppich, und beide sahen still zur Decke hinauf.
    »Wie heißt das traurige Schaf?«, fragte Widu nach einer Weile in die Stille.
    »Weiß ich nicht. Tante Sarah hat es mir gebracht«, sagte Nina.
    »Kein Wunder, dass es so traurig ist. Ohne Namen ist man nix. Ich glaube, am besten würde der Name Melancholie zu ihm passen.«
    »Der ist mir zu lang«, widersprach Nina.
    »Mir auch«, blökte das Schaf.
    »Schon gut, schon gut. Wenn du sprechen kannst, sag doch selber, wie du heißt«, sagte Nina.
    »Ich habe noch keinen Namen. Aber wenn ich den Himmel so anschaue, finde ich von allen Namen, die ich je gehört habe, Wolke am schönsten«, erwiderte das Schaf.
    »Wenn ich mir dein Fell so ansehe, passt Wolke sehr gut zu dir«, sagte Widu, und das Schaf lächelte selig.
     
    Abends lagen Nina und Widu nebeneinander in Ninas Bett. Nachdem ihre Mutter ihr einen gutenachtkuss gegeben, die Lampe an der Decke ausgeschaltet und das kleine Nachtlämpchen angemacht hatte, schloss Nina die Augen, um zu schlafen. Sie hielt Widu fest in den Armen. Doch plötzlich strampelte Widu die Decke weg.
    »Es ist so heiß hier!«, stöhnte sie. »Oder vielleicht bin ich nur so aufgeregt, weil du seit einer halben Ewigkeit das erste Kind bist, das mich in den Arm nimmt. Das ist so schön! Und deshalb kann ich nicht schlafen. Logisch!«
    »Soll ich dir eine geschichte erzählen?«, fragte Nina.
    »O ja, geschichten sind mir lieber als der schönste Schlaf«, rief Widu und machte es sich auf Ninas Bauch bequem.
    »Es war einmal eine Ziege«, begann Nina, »die liebte ein Pferd, und wenn sie miteinander spielten, freuten sie sich, aber wenn sie zusammen spazieren gingen, wurde die Ziege immer ganz traurig, denn das Pferd hatte so lange Beine und lief so schnell, und wenn sie Schritt halten wollte, musste die Ziege rennen, bis sie erschöpft war.
    ›Langsam, langsam, ich kann nicht so schnell‹, rief die Ziege verzweifelt, doch das Pferd antwortete: ›Ich kann nicht langsam laufen. Ich muss noch viel sehen, bevor es dunkel wird.‹
    Da blieb die Ziege stehen und weinte jämmerlich, weil sie sich so einsam fühlte. Sie weinte so lange, bis das Pferd abends zurückkehrte und sie tröstete. Da war ihre Einsamkeit gleich wieder vergessen, und die beiden spielten vergnügt. Bis zum nächsten Spaziergang. Dann lief das Pferd wieder viel zu schnell, und die Ziege wurde wieder ganz traurig.
    Eines Tages stand sie wieder traurig da und weinte, als sie plötzlich ein glöckchen hörte. Das glöckchen machte: ›Bim-ba-la-bim, bim-ba-la-bam,
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