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Das Herz der Puppe

Das Herz der Puppe

Titel: Das Herz der Puppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ihr Vater wieder auf und hob den Kopf.
     
     
     
    »Hundertachtunddreißig«, sagte Nina.
    »Schon gut, schon gut«, seufzte ihr Vater verzweifelt. Dann schaute er auf die Uhr.
    Es war kurz vor halb zehn.
    »Warum kannst du eigentlich nicht schlafen?«, fragte er.
    »Willst du es mir erzählen?«
    »Weil ich dauernd an den Hund denken muss, der mich fast gebissen hätte«, antwortete Nina.
    »Was für ein Hund? Wann war das denn?«, fragte der Vater besorgt.
    »Heute nach der Schule. Weil ich wusste, dass Mama nicht auf mich wartet, hab ich mit den anderen auf der Straße gespielt. Plötzlich kam ein Auto angerast, obwohl die Autos in der Schulstraße eigentlich langsam fahren müssen. Hikmet ist beim Wegrennen hingefallen, und der Autofahrer konnte nicht mehr richtig bremsen. Er hat das Lenkrad herumgerissen und ist über den Bürgersteig gefahren, so ist Hikmet wenigstens nichts passiert. Aber der Fahrer hat uns auch noch angemeckert. Wir waren vor Schreck ganz still. Nur Christoph und Jasmin haben geschimpft, als er davongefahren war. ›Der hat wohl Kartoffeln auf den Augen‹, hat Christoph gebrummt. Und Jasmin hat gesagt: ›Der hat seinen Führerschein bestimmt beim Discounter gekauft.‹ Den Spruch hat sie von ihrem Vater. Der ist Fahrlehrer.
    Dann haben wir noch Ball gespielt und herumgeblödelt, und plötzlich ist der Schäferhund von Frau Schmitz gekommen, weißt du, der gefährliche Riesenköter, der immer hinter der Hecke bellt und alle Leute erschreckt.
    Frau Schmitz wollte mit ihm spazieren gehen und hatte wohl etwas vergessen, da hat sie den Hund am gartentor festgebunden und ist ins Haus zurückgelaufen.
    Der Hund hat unseren Ball gesehen und ganz aufgeregt an seiner Leine gezerrt, und auf einmal hat er sich losgerissen und sich auf uns gestürzt. Ich hab den anderen noch zugerufen, dass sie schnell wegrennen sollen, und sie sind über die gartenzäune gehechtet. Ich hab’s gerade noch in die Bäckerei geschafft.
    ›Was darf’s denn sein, Kleines?‹, hat mich die Bäckerin gefragt, und ich hab nur noch japsen können. ›Ein Hund!‹, hab ich gejapst, und als die Bäckerin verstanden hat, musste sie schrecklich lachen.
    Aber der arme Christoph wollte seinen schönen Ball retten und ist nicht gerannt. Ihn hat der Schäferhund umgestoßen und in die Hand gebissen. Und dann hat er zum glück nur den Ball zerfetzt, bis Frau Schmitz ihn irgendwann beruhigen konnte. Sie hat Christoph auch zum Arzt gebracht, und alles außer der Hand war in Ordnung, um die hat er jetzt einen dicken Verband«, schloss Nina ihren Bericht und musste plötzlich herzhaft gähnen.
    Kurz darauf war sie eingeschlafen. Ihr Vater aber machte die ganze Nacht vor Aufregung kein Auge zu.

Das Wiedersehen
    Am Morgen des dritten Tages war es so weit . Ninas Mutter war zurück. Sie telefonierte auch gleich mit Herrn Moritz und sagte dann, am Nachmittag gingen sie zusammen zum Fundbüro. Nina war sehr aufgeregt und rief gleich ihre Freundin Lulu an, um ihr alles zu erzählen. Lulu freute sich sehr für Nina. Sie hatte auch schon vom alten Herrn Moritz gehört.
    Der Wächter der verlorenen Puppen war ein kleiner uralter Mann mit schneeweißen Haaren und einer runden Nickelbrille. Er ging mit Nina gleich in den Raum, wo die verlorenen Puppen warteten, um zu sehen, ob ihre Puppe auch wirklich zu ihr zurückwollte. So erklärte er es Ninas Mutter. Und er lächelte gütig, als er, kaum dass Nina ihren Fuß über die Türschwelle gesetzt hatte, Widus Stimme hörte.
    »Da ruft jemand nach dir«, sagte er.
    Nina drehte sich um und erblickte Widu. Rasch nahm sie sie in die Arme und rannte überglücklich zu ihrer Mutter zurück. Sie vergaß sogar, sich bei dem alten Mann zu bedanken. Das tat die Mutter für sie. Als sie ihm aber geld anbot, winkte er ab.
     
    »Als wäre er traurig«, erzählte die Mutter später beim Abendessen, »dass er sich von einer Puppe verabschieden musste.«
    »Das stimmt«, bestätigte Widu, als sie neben Nina im Bett lag, »er liebt wirklich jede Einzelne von uns. – Und er selbst hat eine seltsame geschichte«, fügte sie hinzu.
    »Was für eine seltsame geschichte?«, fragte Nina im selben Moment, als ihre Mutter ins Zimmer kam. Sie hatte nur noch das Wort »Geschichte« gehört.
    »Nein«, sagte sie, »heute bin ich dafür zu müde und du bestimmt auch. geh bitte Zähne putzen, und dann ab ins Bett!«
    »Zähneputzen, verdutzen, stutzen, abnutzen, beschmutzen«, reimte Widu vor sich hin, und Nina musste lachen.

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