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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht
Autoren: Ulrike Schweikert
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Und den Rest der Ewigkeit durfte man in Gottes Herrlichkeit zubringen.
    Von diesem dämonischen Wesen, das sie mit kaltem Lächeln abschätzend begutachtete, war keine Erlösung zu erwarten. Arme Seele!
    Eine seltsame Ruhe überkam sie, obgleich sie hätte zittern müssen, auf die Knie fallen und um Gnade wimmern. Resi starrte in die roten Augen, das Letzte, was sie sehen würde, ehe es sie vernichtete. Nein, das war kein Wesen, das sich von Tränen würde erweichen lassen. Das Einzige, was ihr noch blieb, war, sich in Würde hinzugeben.
    »Bewundernswert!«, sagte es leise, als habe es jede Regung ihres Geistes verfolgt. »Obwohl ich gestehen muss, dass Angst dem Blut ein Prickeln verleiht, das nicht zu verachten ist. Und der Duft von Angstschweiß erst! Er bringt mich in Wallung, und das steigert den Genuss. Lass es dir gesagt sein! Nun gut, ich bin niemand, der Mut verachten würde.«
    Der vornehme Plauderton verstärkte noch die Absurdität der nächtlichen Szene. War dies gar nur ein Albtraum, aus dem man in seinem eigenen Schweiß gebadet, aber voll Erleichterung am Morgen erwachte?
    »Nein, bedaure, du wirst nicht mehr erwachen«, zerstörte das unheimliche Wesen den aufkeimenden Hoffnungsschimmer.
    Resi öffnete die Lippen. Sie wusste nicht, woher sie die Kraft nahm zu sprechen, doch plötzlich fand sie ihre Stimme wieder.
    »Heilige Jungfrau, erbarme dich meiner, hilf mir, steh mir bei, im Kampf gegen das Böse der Hölle!«
    Das dämonische Wesen – oder was immer es war – stieß einen ärgerlichen Laut aus. Mit einem einzigen Griff zerfetzte es ihr die Schließe des Mantels und den Kragen ihres Kleides. Resi nahm noch das Aufblitzen langer, spitzer Zähne wahr und dann einen Schmerz, der zu tief ging, um durch einen Aufschrei Linderung zu finden.
    Der Mund presste sich wie Eis gegen ihren Hals, dagegen schien ihr eigenes warmes Blut, das ihr über Hals und Dekolleté rann, ihre Haut zu verbrennen. Das Wesen trank gierig. Saugte ihr Leben in sich ein.
    Für einen Moment trat der Mond hinter den Wolken hervor, strich über Resis Wangen und spiegelte sich in den weit aufgerissenen Augen, aus denen das Leben schwand, noch ehe das untote Geschöpf ihr mit einem letzten brutalen Biss die Kehle herausriss.
    Es war der Schrei eines wilden Tieres, der sich in die kalte Winternacht schwang, als es seine tote Beute zu Boden fallen ließ. Ohne Resi noch einen letzten Blick zu gönnen, stieg es über den Körper hinweg und verschwand in Richtung Hofburg.
    Sacht sank Schnee auf das Mädchen herab, dessen Augen weit aufgerissen in den Himmel starrten, als hoffe es noch immer auf göttliche Hilfe, die es erretten würde. Doch das Einzige, was der Himmel ihr schickte, war ein kaltes Leichentuch, das lautlos ihren blutig zerfetzten Körper einhüllte, bis kein Blut mehr zu sehen war.
    Erst am nächsten Tag, als der Kaffeehausbesitzer bereits seit zwei Stunden zornig in seinem Etablissement auf- und abgeschritten war und über die Unzuverlässigkeit der Mädchen lamentiert hatte, stöberten die beiden Jagdhunde eines Rittmeisters des kaiserlich-königlichen Husarenregiments Nr. 10 die Tote auf. Fassungslos stand der junge Mann da, in seinen schwarzen Stiefeln, den engen roten Hosen und dem blauen Dolman – der Uniformjacke mit den goldenen Schnüren –, den grünen Tschako mit dem Federbusch auf dem Kopf, und starrte wie betäubt auf die Tote herab. Dem Husaren war der Tod schon oft begegnet, doch ihn hier im Paradiesgärtchen mitten in Wien auf so scheußliche Weise anzutreffen, darauf war er nicht vorbereitet gewesen. War das nicht die Resi? Das hübsche Serviermädchen aus Cortis Kaffeehaus?
    Scharf rief er die Hunde zurück, die sich an dem toten Mädchen zu schaffen machten. Mit einem raschen Blick in die Runde vergewisserte er sich, ob nicht einer der Militärpolizisten oder ein Polizeiwachtmeister auf Patrouille unterwegs war.
    Nein, natürlich nicht. Wenn man ihrer bedurfte, waren sie nicht zur Stelle. Der Rittmeister ließ sich auf die Knie nieder und strich ein wenig unbeholfen den Schnee aus dem erstarrten Gesicht. Dann fiel sein Blick auf ihren Hals. Waren das etwa Abdrücke von Zähnen? Bei allen Engeln des Himmels! Was für eine Bestie trieb hier in Wien ihr Unwesen?
    Der Rittmeister sprang auf und rannte zum Kaffeehaus, wo er einen der Kriminalkommissäre gemütlich bei seiner Zeitung und einer schönen Tasse Kaffee vorzufinden hoffte.
     
    1. Kapitel
    Fürstin Therese Josepha Kinsky
    Durchlaucht, es wird
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