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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht
Autoren: Ulrike Schweikert
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seiner Herrin, aber natürlich war der fremde Kavalier schneller und reichte ihr seine eisige Hand. Die Kälte drang durch das Leder und ließ die Fürstin erschaudern. Weshalb trug er auch in solch einer Winternacht keine Handschuhe?
    »Durchlaucht, darf ich mich empfehlen?«, fragte er, und wieder fiel ihr auf, wie betörend seine tiefe Stimme klang. War er ein Sänger der Oper? Bei dieser Stimme könnte sie sich das gut vorstellen, ansonsten passte sein Auftreten eher nicht zu einem Künstler der Musik- und Theaterwelt.
    »Sie dürfen«, erwiderte Therese.
    »Und Sie sind auch bestimmt wohlauf?«
    »Gewiss. Und ich erlaube Ihnen, sich morgen nach meinem Befinden zu erkundigen.«
    War seine Miene bisher unbeweglich gewesen, zuckte nun ein Lächeln um seine ungewöhnlich bleichen Lippen, das sie nicht zu deuten wusste.
    »Es wird mir eine Ehre sein, Durchlaucht.«
    Machte er sich etwa über sie lustig? In seiner Stimme war nichts davon zu hören, und dennoch kam ihr die Ehrerbietung nicht echt vor. Natürlich hatte er ihr das Leben gerettet, aber wer war er, dass er sich so etwas herausnahm? Irgendein dahergelaufener Ungar oder Böhme oder sonst so etwas? Er müsste sich geschmeichelt fühlen, dass sie ihn einlud, in ihrem Haus vorzusprechen! Therese fühlte den Wunsch, wie ein ungezogenes Mädchen zornig mit dem Fuß aufzustampfen.
    Sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter. Therese sah misstrauisch zu ihm auf. Er konnte ihre Gedanken nicht erahnen. Nein, das war ganz und gar unmöglich! Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Seine Augen waren tiefschwarz, doch im Licht der Laterne vor dem Haus schimmerten sie rötlich. Therese senkte den Blick und ärgerte sich darüber, dass nicht er es gewesen war, der das tat. An seiner Verbeugung war allerdings nichts auszusetzen, und nun bedauerte sie es fast, dass er sich entfernte und gemessenen Schrittes über den Platz davonging, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Die Fürstin gab sich einen Ruck und wandte sich an ihren Groom, der noch immer abwartend dastand, das Gesicht zu einer Grimasse des Schmerzes verzogen.
    »Bring die Kutsche weg und versorge die Pferde. Das ist alles für heute.«
    Er verbeugte sich ein wenig steif. »Ja, Durchlaucht.«
    »Und wenn dein Bein morgen nicht besser ist, dann lass mir Bescheid geben. Konrad soll dir morgen zur Hand gehen, sag ihm das.«
    Die Fürstin wandte sich zur Tür, die aufgerissen wurde, noch ehe ihre Hand sich dem Klopfer näherte. Der Butler hatte die Ankunft der Kutsche längst bemerkt und war hinuntergeeilt, um zu öffnen. Natürlich hatte er hinter der Tür gewartet, bis sie sich von ihrem Begleiter verabschiedet hatte, um im rechten Moment bereit zu sein. Dem Personal entging einfach nichts.
    Therese wusste nicht, ob sie sich über so viel Aufmerksamkeit freuen oder ärgern sollte.
    »Guten Abend, Lorenz«, grüßte sie den Butler, der schon Jahrzehnte im Dienst ihres Mannes stand.
    »Ich hoffe, der Abend ist zu den guten zu zählen, Durchlaucht«, sagte der Butler mit einer Spur von Missbilligung in der Stimme, als sein Blick an ihr herabwanderte. »Soll ich Vesna rufen lassen, dass Sie Ihnen behilflich sein kann, die Spuren ihres – äh – Ausfluges zu beseitigen?«
    Therese sah an sich herunter, während der Butler ihr aus ihrem Kutschiermantel half. »Ja, das wird wohl nötig sein. Schick sie zu mir. Ich nehme lieber den direkten Weg in meine Gemächer!« Die Fürstin durchschritt das Portal und trat in die von Pfeilern geteilte, dreischiffige Torhalle.
    »Ich fürchte, ich muss mir ein neues Kleid bestellen«, murmelte sie, als sie auf die Prachttreppe zustrebte.
    »Wie gut, dass der Fürst noch nicht zurück ist!« Das waren die ersten Worte der Kammerfrau, als sie ihre Herrin zu Gesicht bekam.
    »Ist er um diese Zeit doch nie«, entgegnete die Fürstin ein wenig schroff. »Wann wäre er jemals vor Mitternacht vom Kartentisch aufgestanden? Die einzigen Festlichkeiten, die er frühzeitig verlässt, sind Familienfeiern!«
    Die Kammerfrau schwieg, wie es sich gehörte, doch ihre Miene sprach Bände. Sie half ihrer Herrin aus den ruinierten Kleidern und erlaubte sich nur einen kleinen Seufzer, als sie den Riss im Mantel begutachtete. Sie reichte die Kleider der Zofe weiter. Dann machte sie sich daran, der Fürstin das Gesicht zu säubern und den blutigen Kratzer so gut es ging mit Puder zu verdecken. Obwohl sie sicher vor Neugier fast platzte, fragte sie nicht und kämmte stattdessen die noch immer blonden
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