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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht
Autoren: Ulrike Schweikert
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Locken aus, um sie anschließend frisch aufzustecken.
    Fürstin Therese Josepha Kinsky betrachtete ein wenig abwesend ihr Gesicht im Spiegel. Nein, das war nicht mehr die pralle Jugend mit ihrer rosigen, straffen Haut, die ihr entgegensah. Die Jahre hatten Spuren hinterlassen und die ersten Falten um Augen und Mund eingegraben. Zwar war die Fürstin groß von Gestalt – fast ein wenig zu groß für eine Frau – und noch immer schlank. Dennoch enthüllte das unbarmherzige Tageslicht, dass die vierzig eine Weile schon hinter ihr liegen mussten. Nur im schmeichelnden Schein von Kerzen, wenn ihr Haar golden ihr Gesicht umrahmte, Puder und Rouge ein paar Jahre kaschierten und die grauen Augen mit den dunklen Wimpern voller Lebenslust funkelten, konnte man die schöne junge Frau noch immer sehen, die einst der Stolz ihres Vaters, des Grafen von Freudenthal, gewesen war – und mit deren Hilfe er eine lukrative Verbindung zu dem mächtigen Fürstenhaus Kinsky hatte knüpfen können. Wobei neben ihrer Schönheit durchaus auch ihre Mitgift sie zu einem attraktiven Handelsobjekt gemacht hatte.
    Das waren die beiden Dinge, die bei einem Mädchen zählten. Nun ja, der gute Name natürlich auch, aber ein heller Geist und ein wacher Verstand waren eher nebensächlich oder gar störend. Reichte es doch, wenn sie liebreizend lächeln und bei Tisch mit Gästen Konversation treiben konnte, ja und vielleicht noch ein wenig Klavier spielen und ein nettes Aquarell pinseln. Das waren die Talente einer Frau, die gebraucht wurden, neben ihrer Hauptaufgabe, Kinder zu gebären – vordringlich natürlich Söhne.
    Ein bitterer Zug trat in ihre Miene, und nun sah man ihr ihre bald fünfzig Jahre deutlich an. Erschreckt versuchte Therese den unschönen Zug zu vertreiben, ein Lächeln wollte ihr jedoch nicht gelingen. Ihr Blick traf den ihrer Kammerfrau.
    »Ist alles in Ordnung? Sie haben sich doch nicht etwa verletzt?«
    Die Fürstin schüttelte den Kopf. »Nein, mir ist nichts passiert. Es war knapp, aber es ist alles gut gegangen, weil …« Sie legte den Kopf schief. Nun erhellte ein echtes Lächeln ihre Züge und verlieh ihnen ein inneres Leuchten. »Es war so etwas Ähnliches wie ein Wunder.«
    »Dem Himmel sei gedankt. Die Engel des Herrn haben ihre Hand über Euch gehalten«, murmelte die Kammerfrau, die im Gegensatz zu ihrer Herrin tief gläubig war.
    Therese wiegte den Kopf hin und her. »Dass er ein himmlischer Retter war, möchte ich bezweifeln.«
    Sie warf der Zofe, die neugierig zu ihnen herüberstarrte, einen strengen Blick zu. Hastig beugte sich das Mädchen wieder über den Mantel und bürstete weiter den Staub aus den Fasern. Sicher jedoch nicht weniger aufmerksam, auf dass ihr ja kein Wort entgehe.
    Therese unterdrückte einen Seufzer und begann von Belanglosem zu sprechen. Nach einer Weile jedoch hielt sie inne und fragte unvermittelt: »Vesna, sagt dir der Name Báthory etwas? Er ist ungarisch, nicht wahr? Ich habe ihn schon gehört, aber ich komme einfach nicht mehr darauf, in welchem Zusammenhang.«
    »Báthory? Die Fürsten Báthory?«, wunderte sich die Kammerfrau. »Sie sind Magyaren, ja, doch nicht aus dem ungarischen Stammland. Sie waren über lange Zeit die Fürsten von Siebenbürgen oder Transsilvanien, wie man es auch nennt. Heute gibt es kein Fürstentum Siebenbürgen mehr. Der Kaiser setzt seit mehr als einhundert Jahren einen Gouverneur in Transsilvanien ein. Die Familie ist aber noch immer sehr angesehen und nennt einige Grafschaften ihr Eigen.«
    Die Fürstin sah ihre Kammerfrau mit gehobenen Augenbrauen an. »Du erstaunst mich wieder einmal, liebe Vesna. Du bist, wie immer, eine unerschöpfliche Quelle des Wissens.« Doch die Kammerfrau war noch nicht fertig.
    »Ein Báthory, Graf von Brasov, hat vor kurzem das Palais an der Hofburg erstanden, das dem Bankier Fries gehörte, dem Unglücklichen. Fanny hat mir davon erzählt. Sie war Zofe bei der Reichsgräfin Fries.«
    »Ach!«, rief die Fürstin. »Und ich weiß genau, dass meine Hutmacherin mir sagte, irgendein böhmischer Baron habe es erworben. Ich weiß ja, dass sie den Klatsch über alles liebt, aber dann soll sie wenigstens zuhören, sich die Dinge genau merken und sie dann korrekt weitergeben!«
    »Dann wäre es kein Klatsch mehr, Herrin«, wagte die Kammerfrau anzumerken.
    Therese schnaubte durch die Nase. Eine Weile schwieg sie, dann ließ sich ihre Neugier nicht länger bezwingen.
    »Und was weißt du noch?«
    »Über den Bankier Fries und das
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