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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht
Autoren: Ulrike Schweikert
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waren.
    Therese wusste nicht viel von Graf Johann von Fries, doch man sagte über ihn, er sei ein guter Geschäftsmann gewesen, der durch die Einführung des Maria-Theresia-Talers als Handelsmünze zu einem der reichsten Männer Österreichs geworden war. Sein Tod umrankte ein dunkles Geheimnis. Was hatte Vesna gestern gesagt? Sein Leichnam sei im Vöslauer Schlossteich aufgefunden worden. Niemand konnte sich den Vorfall erklären. Ein Unfall? Mord oder gar Selbstmord? Damals jedenfalls ging es seinem Bankhaus noch prächtig.
    Therese sinnierte einige Augenblicke über den rätselhaften Tod des Bankiers nach, ehe sie sich gedanklich den Erben zuwandte.
    Fries’ Söhne waren beide Kunstliebhaber – Förderer, Sammler und Verschwender. Sie veranstalteten Konzerte und Soireen. War ihre Mutter, die Gräfin Freudenthal, nicht einst bei einem solchen Konzert gewesen? Es musste bald vierzig Jahre her sein, doch nun erinnerte sich Therese an ihre Worte und daran, dass der Bankier ein Förderer Beethovens gewesen war, der daraufhin irgendeine seiner Symphonien dem Gönner Moritz von Fries gewidmet hatte. Und dann war das Bankhaus plötzlich bankrottgegangen, und das Palais musste verkauft werden. Das war schon eine Weile her, und mehr als ein Jahr hatte das Palais leer gestanden. Nun also war der neue Eigentümer in Wien eingetroffen.
    Mit solchen Überlegungen schlich der Nachmittag dahin. Die goldene Uhr im großen Salon schlug zu jeder Stunde und steigerte ihren Unmut mit jedem weiteren Schlag, bis sie sich erhob und gereizt auf- und abzugehen begann. Was bildete sich dieser Graf eigentlich ein? Hatte sie ihm nicht deutlich zu verstehen gegeben, dass er heute vorsprechen sollte? Wie konnte er es wagen, ihre Wünsche zu ignorieren? Es wurde bereits dunkel, und die Diener gingen durchs Haus, um die Kerzen in den Leuchtern zu entzünden.
    »Durchlaucht?« Die Zofe knickste artig. »Vesna schickt mich. Sie hat Ihr Gewand für heute Abend zurechtgelegt. Möchten Sie sich umkleiden lassen?«
    »Ich weiß nicht, ob ich heute ausgehe«, gab die Fürstin missmutig zurück.
    »Aber das Diner bei der Gräfin Trauttmannsdorf!«, rief die Zofe entsetzt.
    »Ich habe Kopfschmerzen.«
    Die Zofe blieb unschlüssig im Salon stehen. »Soll ich den Lorenz schicken? Ich meine, dass man der Gräfin Trauttmannsdorf Bescheid gibt, da es nun eine Tischdame zu wenig sein wird.«
    »Ja, er soll ein Billet rüberbringen lassen«, sagte die Fürstin und blieb dann allein im Salon zurück. Nur der Butler kam kurz herein und erkundigte sich, was sie – nun da sie so unerwartet zu Hause blieb – zu Abend zu essen wünsche.
    Im Haus war es ruhig. Ihr Gatte hatte sich den ganzen Tag noch nicht blicken lassen, was ihr nicht unrecht war. Bald wurde das Essen aufgetragen, und sie ging hinüber in das kleine Speisezimmer, wo sie lustlos in den Gerichten herumstocherte. Schon begann sie es zu bereuen, nicht zu den Trauttmannsdorfs gegangen zu sein. Langweiliger konnte ein Abend nicht werden, selbst wenn sie sich wieder zwischen einem fast tauben Greis und einem alten Offizier als Tischherrn wiederfinden würde.
    »Ein Herr mit Namen Báthory bittet vorsprechen zu dürfen und sich nach Ihrem Befinden zu erkundigen.«
    Die Worte des Butlers ließen sie von ihrem Stuhl auffahren. Die Fürstin hatte schon zwei Schritte in Richtung Tür getan, als ihr auffiel, wie unangebracht dieses Verhalten war. Lorenz ließ sich wie immer nichts anmerken. Therese blieb mitten im Zimmer stehen. Sie würde hinaufgehen und sich umkleiden lassen. Sollte er ruhig auf sie warten! Das hatte er verdient.
    Anderseits war es zu viel der Ehre, für ihn ein neues Kleid anzulegen. War er das wert, nachdem er sie den ganzen Tag versetzt hatte, und nun zu einer Stunde auftauchte, da er annehmen musste, dass sie bereits im Theater oder bei einer Gesellschaft sein würde?
    »Soll ich dem Herrn ausrichten, dass Sie sich nicht wohlbefinden?«, wagte der Butler anzuregen.
    Für einen Moment war die Fürstin versucht, den Vorschlag anzunehmen, doch ihre Neugier war stärker.
    »Nein, danke Lorenz. Du kannst ihn in den grünen Salon führen. Ich komme gleich nach.«
    »Wie Sie wünschen, Durchlaucht«, antwortete der Butler. Und obwohl in seiner Stimme und an seiner Verbeugung nichts auszusetzen war, hatte Therese das Gefühl, er würde diese Anordnung missbilligen.
    Und wenn schon. Lorenz war ihr Butler, und es ging ihn nichts an, was seine Herrschaft tat oder nicht tat. Therese nahm wieder auf
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