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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht
Autoren: Ulrike Schweikert
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paar Tönen im Zaum haltend. Erstaunlich. Beneidenswert. Unglaublich!
    »Ist das dort vorn Ihr Pferdeknecht, Durchlaucht?«
    Ihr Retter deutete auf eine Gestalt, die am Rand der Allee in ihre Richtung hinkte.
    »Ja, das ist der gute Johann. Ihm scheint – dem Himmel sei es gedankt – nicht viel zu fehlen.«
    Ihr Begleiter nickte. »Ja, das Glück muss ihm hold gewesen sein. Das war ein harter Sturz, bei dem er sich alle Knochen hätte brechen können.«
    Das konnte Báthory nur vermuten. Wie hätte er Zeuge dieses Sturzes sein und – nur wenige Augenblicke später – vorn auf der Wiese am Lusthaus die Pferde aufhalten können?
    Der Fremde hielt den Phaeton genau neben dem Knecht an, ohne dass sich eine seiner Hände auch nur bewegt hätte.
    »Durchlaucht!«, rief der Groom . »Sind Sie unversehrt? Heilige Jungfrau, ich danke dir! Ich dachte schon, der Wagen müsse sich überschlagen, als die Pferde so mit Ihnen davonjagten. Durchlaucht, Sie hätten heruntergeschleudert werden und sich den Hals brechen können!«, rief er und schloss schaudernd die Augen. »Was hätte der Herr dazu gesagt?«
    Therese spürte, wie ein Lächeln ihre Lippen zucken ließ, und sie war in Versuchung, ihren Knecht zu fragen, welcher Teil seiner schaurigen Vorstellung ihn mehr erschreckte: der mögliche Tod seiner Herrin oder die Rüge, die der Fürst ihm erteilen würde, dass er dieses Abenteuer nicht verhindert hatte. Natürlich sprach sie ihre Gedanken nicht aus. Stattdessen forderte sie Johann auf, in den Wagen zu steigen, dass man endlich den Heimweg fortsetzen könne. Der Groom warf dem Unbekannten einen neugierigen Blick zu, wagte aber nicht zu fragen.
    Erstaunt sah Therese ihr verstohlenes Lächeln im Gesicht ihres Begleiters gespiegelt, so als habe er ihre Gedanken aufgefangen und teile das Amüsement.
    Was für ein unsinniger Einfall!
    Rasch wandte sie ihren Blick wieder ab und betrachtete kritisch Johanns zerrissenen Mantel, unter dem eine nicht minder ruinierte Livree zu sehen war. Vermutlich hatte er sich auch einige Schürfwunden und schmerzhafte Prellungen zugezogen, doch so wie es schien, war er bei dem Sturz ohne Knochenbrüche davongekommen. Vielleicht konnte man ja den ganzen Ausflug ohne Aufheben beenden, und niemand musste davon erfahren. Allen voran der Fürst, nach dessen Kommentaren sie sich nicht gerade sehnte.
    So hing Fürstin Therese Josepha Kinsky schweigend ihren Gedanken nach, während András Petru Báthory den Wagen durch die Josephvorstadt lenkte. Sie rollten am Ufer des Donauarms entlang, querten die Ferdinandsbrücke und passierten dann das Tor, das sie in die Stadt führte. Der Klang der Räder hallte durch die zu dieser Zeit nahezu menschenleeren Gassen. Zwei Männer der kaiserlich-königlichen Militärpolizei standen vor der Schranke und betrachteten den Wagen mit gerunzelter Stirn, doch da András die Pferde vorschriftsmäßig nur im kleinen Trab gehen ließ, seit sie das Tor passiert hatten, entspannten sich ihre Mienen wieder. Aber selbst wenn er die Kurve in die Wipplinger Straße in halsbrecherischem Galopp genommen hätte, hätten sich die Polizisten mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln begnügt. Zumindest wenn sie das Wappen erkannt hätten.
    Die Wiener Polizei hatte ihre liebe Not mit den oft rücksichtslos dahinpreschenden Fiakern und vor allem mit den Privatkutschern und ihren hohen Herrschaften. Während sie die Ersteren gern und häufig anhielten und mit Strafen bedachten, durften die Mitglieder der Gesellschaft sich vor solchen Übergriffen in Sicherheit wähnen.
    Mit einem leicht schlechten Gewissen musste Therese vor sich selbst bekennen, dass auch sie zuweilen der Versuchung nicht widerstehen konnte, in flottem Tempo durch die engen Gassen zu kutschieren. Ihr Retter neben ihr schien in dieser Nacht dagegen entschlossen, sie keinem weiteren Nervenkitzel auszusetzen. Er schwieg noch immer, während er den Phaeton seinem Ziel entgegensteuerte. Therese wunderte sich nicht, dass er nicht fragte, wohin er sie bringen sollte. Jeder in Wien wusste, dass die Freyung zu einer der vornehmsten Adressen gehörte, weil hier das Palais Harrach zu finden war und vor allem das prächtige Palais des Fürsten Kinsky.
    András Petru Báthory fuhr den Wagen vor dem von zwei steinernen Atlanten gestützten Tor vor. Therese erwartete schon fast, dass die vier Füchse auf den Punkt anhielten, ohne dass sie eine Regung ihres Begleiters hätte wahrnehmen können.
    Johann sprang von seinem Sitz und humpelte zu
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