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Das Herz der Kriegerin

Das Herz der Kriegerin

Titel: Das Herz der Kriegerin
Autoren: Corina Bomann
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übrig? »Also gut, aber glaube nicht, dass ich dir irgendwas schenken werde.«
    Malik lächelte breit. »Das erwarte ich auch nicht von dir.«

    Einige Monate nachdem wir den Dauphin in Sicherheit gebracht und dafür gesorgt hatten, dass er es auch blieb, befanden wir uns auf dem Heimweg nach England, worüber ich einerseits betrübt, andererseits doch sehr froh war. Das Credo meines Vaters, des Wikingerfürsten Einar Skallagrimm, war gewesen, dass ein Krieger niemals zu viele Kämpfe bestreiten und niemals zu viele Männer töten könnte. Doch das war die Sicht eines sterblichen Mannes, den es nach Ruhm und dem Wohlwollen seiner Götter dürstete.
    Meine zweihundert Jahre auf Erden haben mich etwas anderes erkennen lassen: Irgendwann mochte man nicht mehr töten, sondern sehnte sich danach, friedlich am Feuer zu sitzen, seine Freunde in Sicherheit zu wissen und die Sterne am Himmel zu zählen. Sicher, wir hatten den Eid geschworen, den Menschen mit unseren Kräften zur Seite zu stehen, was wir, so gut wir konnten, taten. Doch ebenso, wie Odin abends nach Wallhall heimkehrte, um sich auszuruhen, brauchten auch wir eine Zeit der Ruhe.
    Als die englische Küste vor uns auftauchte, stand ich an Deck des Schiffs, übermannt von Erinnerungen an die zurückliegenden Jahre. Ich dachte an meinen Vater und die Krieger unseres Stammes, die in den Fluten des Mittelmeeres gestorben waren, ich dachte an Gabriel, den mir das Meer fortgerissen hatte. Manchmal hörte ich seine Stimme im Traum, manchmal im Raunen des Windes, und immer schien sie so wirklich zu sein, als brauchte ich mich nur umzuwenden, um ihn zu erblicken. Tat ich es dann, musste ich zusehen, wie sein Körper von den Fluten verschlungen wurde. Auch jetzt tauchte dieses Bild vor mir auf und trieb mir Tränen in die Augen. Doch dies war nicht der passende Moment, um sich der Trauer hinzugeben. Das würde ich tun, wenn ich allein am Meeresufer stand.
    Nachdem es mir gelungen war, den Schmerz in sein Quartier in meinem Herzen zurückzudrängen, ließ ich meine Gedanken vorauseilen zu dem kleinen Dorf inmitten des Waldes, das unsere neue Heimat geworden war.
    Kaum ein Engländer wusste davon, denn bei unserer Ankunft hier vor über hundert Jahren hatten wir sämtliche Katharer schwören lassen, niemandem davon zu erzählen. Die Angst vor möglichen Verfolgern hatte uns keine andere Wahl gelassen.
    Verfolgt wurden die Katharer nun nicht mehr, doch der Kodex, den wir aufgestellt hatten, galt noch immer. Zu ihrem Schutz – und zu unserem.
    »Woran denkst du?«, fragte eine Stimme hinter mir.
    Sayd lehnte nur wenige Schritte von mit entfernt an der Reling.
    »An zu Hause«, antwortete ich.
    »Die Wüste oder das karge englische Eiland?«
    »Diesmal an unser Dorf.« Lächelnd wandte ich mich um. »Und du?«
    »Ich frage mich, was wohl in den kommenden Jahren auf uns zukommen wird. Es wird noch lange kein Friede herrschen im Frankenreich, und ich frage mich, was Gabriel …«
    Er stockte. Meinen Geliebten zu erwähnen, war kein Tabu, dennoch waren meine Brüder vorsichtig, wenn es um ihn ging, gleich so, als fürchteten sie, mich damit in die Flucht zu schlagen.
    »Ich glaube, es hätte ihm nicht sonderlich gefallen«, antwortete ich sanft und gab Sayd damit zu verstehen, dass er ruhig von ihm reden konnte. »Gabriel hätte alles getan, um seiner Heimat wieder Frieden zu bringen.«
    Sayd sah mir tief in die Augen, dann trat er langsam neben mich. Ich erinnerte mich plötzlich wieder an unsere Überfahrt aus Al Jaza’ir nach Spanien, wo wir entdeckt hatten, dass das Wasser unser Geheimnis kannte.
    Doch danach, in den Fluten unser entsetzlich altes Antlitz zu erblicken, dürstete es weder ihn noch mich.
    »Manchmal gibt es Tage, da denke ich zurück an die Zeit, als die Franken in unser Land kamen, um es ihrem Glauben zu unterwerfen«, sagte er und lehnte sich schwer auf die Reling. »Ich glaubte damals, dass es keinen schrecklicheren Krieg geben könnte. Doch seit ich das sterbliche Leben hinter mir gelassen habe, werde ich immer wieder eines Besseren belehrt.«
    »Wir werden den Krieg nie ganz vom Angesicht der Erde tilgen können«, entgegnete ich seufzend. »Dazu sind wir einfach zu wenige. Wenn ich wüsste, dass es helfen könnte, wenn wir mehr wären …«
    »Daran solltest du nicht einmal denken!« Sayds heftige Worte und seine finstere Miene erschreckten mich zutiefst. »Weißt du, wie eine Lamie leiden muss, um neue Gefolgsleute zu erschaffen? Willst du dieses Leid
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