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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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geschah nichts. Kein Blut. Kein Korditgeruch. Die nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernte Glock rauchte nicht. Ich drehte mich um, während meine Ohren dröhnten.
       Der schwarze Erzengel taumelte am Rand des schmalen Gangs und ließ meine Automatik fallen. Bevor ich irgendwie reagieren konnte, streckte Luc, ungläubig staunend, seinen Arm zu mir aus und stürzte dann rücklings in den Abgrund.
       Sein Sturz enthüllte eine schwarze Gestalt ein paar Meter weiter hinten.
       Selbst im Gegenlicht erkannte ich meinen Retter.
       Zamorski, der Nuntius und Rächer aus Krakau.
       Römischer Kragen und dunkler Anzug, bereit für die Letzte Ölung.
       Meine erste Intuition war immer richtig gewesen.
       Die Neun-Millimeter, die in seiner Hand rauchte, passte ihm wie angegossen.

KAPITEL 122
    Der Boden, der Himmel, die Berge.
       Ein Streifen Licht im Osten über den Bergkämmen.
       Die Sonne ging auf, eine dunkelrosa Aureole. Auf dem Parkplatz standen zwei schwarze Mercedes, daneben eine Handvoll Priester. Sie warteten auf ihren Anführer – ihren General.
       Ich wandte mich um. Zamorski folgte mir auf dem Fuße. Sein eckiges Gesicht zeichnete sich im Dämmerlicht ab. Schmale Nase, silbernes Haar, unerschütterliche Miene. Nichts deutete darauf hin, dass er gerade in tausend Metern Tiefe einen Mann getötet hatte. Nur ein paar Salpeterflecken an den Schultern.
       Ich fragte ihn:
       »Wie haben Sie mich gefunden?«
       »Wir haben euch nie aus den Augen verloren, weder dich noch Manon. Wir mussten euch beschützen.«
       »Nicht immer mit Erfolg.«
       »Und wer ist schuld daran? Du hast nicht auf meine Warnungen gehört. All dies hätte verhindert werden können.«
       »Da bin ich mir nicht sicher«, antwortete ich. »Und Sie sind es auch nicht.«
       Der Pole wandte den Blick ab. Hinter ihm klaffte unter den Eisenbögen der schwarze Eingang zur Höhle. Ich dachte an Luc Soubeyras. Wir hatten seinen Leichnam einfach unten in der Stille und Finsternis zurückgelassen. Wir hatten nicht einmal erwogen, seine sterblichen Überreste zu bergen, und kein Gebet zum Gedenken an ihn gesprochen. Wir waren wortlos aufgestiegen, getrieben von dem Wunsch, alles so schnell wie möglich hinter uns zu lassen.
       »Wie steht es mit den Teufelssklaven?«
       »Dank dir wurde eine Gruppe im Jura zerschlagen. Und eine weitere Gruppe in Krakau, was ebenfalls zum Teil dein Verdienst ist. Aber es gibt noch weitere Netze, in Frankreich, in Deutschland, in Italien. Wir folgen der Schwarzen Iboga. Sie ist unser Leitfaden. Wie sagte man zu Zeiten der Solidarność: ›Zuerst weitermachen, dann anfangen.‹«
       Ich blickte auf. Der Lichtstreifen am Himmel schillerte violett wie Benzin auf der Oberfläche einer Pfütze. Ich schloss die Augen und genoss den eisigen Wind auf meinem Gesicht. Ich spürte ein diffuses Lebensgefühl in mir aufsteigen und zugleich auf meiner Haut ein leichtes, elektrisierendes Vibrieren.
       »Ich bin enttäuscht«, schnaufte Zamorski. »Die ganze Geschichte entsprang dem Wahnsinn eines einzigen Menschen. Ein Hochstapler, der sich als Teufel aufspielte. Nicht die Spur einer übernatürlichen Präsenz, einer höheren Kraft, die hier ihre Finger im Spiel gehabt hätte. Nicht einmal von fern hatten wir es mit dem eigentlichen Feind zu tun.«
       Ich öffnete die Augen. Im Licht der aufgehenden Sonne sah man dem Polen sein Alter an.
       »Sie vergessen die Hauptsache. Denjenigen, der Luc inspiriert hat.«
       »Beltreïn?«
       Die falsche Antwort des Nuntius zeigte, wie erschöpft er war.
       »Beltreïn war nur ein Statist. Ich spreche von Satan. Von dem, den Luc auf dem Grund der Höhle gesehen hat. Der Greis mit den leuchtenden Haaren.«
       »Du glaubst also daran?«
       »Wenn es einen wahren Lichtlosen in dieser Geschichte gab, dann war es Luc. Er hat nichts erfunden. Er handelte auf Geheiß eines höheren Wesens. Dem Teufel sind wir zwar nicht begegnet, dafür aber, in der Person von Luc, seinem Schatten.«
        
    Zamorksi klopfte mir auf die Schulter:
       »Bravo. Ich hätte es nicht besser ausdrücken können. Du bist reif für unseren Verein! Ich habe gehört, dass du einem Orden beitreten willst. Warum nicht unserem?«
       Ich zeigte auf die Soldaten im schwarzen Anzug zwischen den langen Schatten der Morgensonne.
       »Gott zu suchen heißt, den Frieden zu suchen, Andrzej. Nicht den
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