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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Degen und Auszeichnungen behalten dürften. Die allerletzte Möglichkeit, noch einigen Tausenden das Leben zu retten, wurde dargeboten.
    Dr. Sukow kam zuversichtlich in den OP-Keller.
    »Sie werden es annehmen«, sagte er fast feierlich. »Genossen … morgen ist der Krieg in Stalingrad zu Ende. Es gibt auf der Welt keinen Offizier, der jetzt noch nein sagen kann …«
    Er kannte den Chef des Armeestabes der 6. Armee, den General Schmidt, nicht. Was keine Funkmeldung durchgab, geschah an diesem Tag.
    Das Angebot der Sowjets wurde abgelehnt.
    Als der Major vom russischen Generalstab die Kellertreppe hinabstieg und in den Kellerraum des Stabschefs geführt wurde, sah ihn General Schmidt abweisend und stolz an und fragte laut einen seiner Herren:
    »Was wollen die Schimpansen hier?!«
    Das war die Sprache eines deutschen Offiziers, während 135.000 Tote um ihn herum in den Trümmern der Stadt lagen.
    Am Abend saß Dr. Sukow neben Olga Pannarewskaja und Dr. Körner auf den Strohschütten. Die Meldung aus dem Kaufhaus Univermag war durchgekommen. »Keine Kapitulation. Es wird weitergekämpft bis zur letzten Patrone.«
    Dr. Sukow schüttelte den Kopf und preßte die Hände flach gegen seine Schläfen.
    »Was sind das nur für Menschen …?« sagte er. Zum erstenmal sah man ihn bis ins tiefste erschüttert. »Ich kann es nicht begreifen … ich kann es nicht begreifen …«
    Wer konnte es auch …?
    So strahlend sonnig der 30. Januar gewesen war, so trüb und grau, schneeverhangen und diesig war der 31. Januar. Ein Morgen voller Trübsinn, voll nasser Kälte, ein Morgen, der durch alle Kleider drang und sich auf die Knochen legte. Ein Morgen ohne Geräusche. Ein Morgen seltsamer Stille. Ein Morgen ohne Bewegung. Ein Morgen wie in einem riesigen Totenhaus.
    Unter der Erde aber, im Kellergewirr des Kaufhauses Univermag, wurde zerstört. Die Sende- und Empfangsgeräte des Armee-Nachrichtenregimentes wurden mit Hammer und Spaten zerschlagen, die Röhren und Telefonkästen zertrümmert, die Leitungen herausgerissen, die Aggregate zerstampft. Der letzte Funkspruch an die Freiheit war herausgerufen worden. Es war ein abschließendes Lebenszeichen in zwei Teilen, bevor das letze Leben in den Trümmern erlosch:
    »Die 6. Armee hat getreu ihrem Fahneneid für Deutschland bis zum letzten Mann und bis zur letzten Patrone eingedenk ihres hohen und wichtigsten Auftrages die Position für Führer und Vaterland bis zuletzt gehalten. Paulus.«
    Und als allerletztes:
    »Der Russe steht vor dem Bunker, wir zerstören …«
    Es war 5.45 Uhr morgens.
    In den Kellern verbrannten die Code- und Geheimbücher, die Chiffriergeräte, die Armeeakten, die Geheimen Kommandosachen, die Kisten voller Dokumente und Pläne. Ein Sonderkommando war unterwegs, um mit den letzten Patronen eine Pflicht zu erfüllen, die zu der traurigsten gehörte, die je im Kessel von Stalingrad befohlen wurde: Mit Maschinenpistolen und Karabinern erschoß man vagabundierende deutsche Soldaten, die – losgelöst von allen moralischen Bindungen – das Wort Freiheit und Auflösung so auslegten, daß sie plünderten, daß sie in den Kellern erschienen, in denen noch deutsche Kameraden hockten, die Brotbeutel durchwühlten und für einen Kanten steinhartes Brot oder eine Handvoll Erbsen einen Mord begingen. Selbst die wehrlosen Verwundeten wurden geplündert, man zog ihnen die Stiefel von den Beinen, wenn sie besser waren als die eigenen, man riß sie aus den Mänteln, schlug sie bewußtlos, wenn sie um Hilfe schrien und schoß auf die eigenen Offiziere, wenn diese Ordnung schaffen wollten. Gegen diese wenigen Gruppen, bei denen der verbrecherische Instinkt stärker war als Angst und Grauen, wurde noch am letzten Tag vorgegangen.
    Der erste, der merkte, daß etwas Ungewöhnliches geschehen sein mußte, war Iwan Iwanowitsch Kaljonin.
    In der Nacht zum 31. Januar 1943 hatten deutsche Transportflugzeuge noch einmal Verpflegungsbomben auf engstem Raum abgeworfen. Es waren vierzehn Flugzeuge, die über den Ruinen kreisten, die noch in deutschem Besitz waren. Auch auf Knösels Markierungskreuz fielen drei Verpflegungsbomben … Scheinwerfer eines Flak-Regimentes beleuchteten die wüste Gegend und gaben die Abwurfziele an … aber auch die sowjetische Artillerie begann wieder zu trommeln … ein deutlicheres Ziel als die Scheinwerfer der Flak gab es nicht mehr.
    Knösel und Kaljonin bargen ihre drei Bomben in einem Splitterregen. Sie schleiften die Behälter hinter sich her, bis sie im
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