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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Zurück …«
    Ihm folgten Knösel, Dr. Körner und zwei Sanitäter. Als der Lichtschirm der Leuchtkugel sie ergriff, warfen sie sich in die Ruinen, auf Steinhaufen, in Kellerlöcher.
    General Gebhardt hob seine Waffe. Hoch aufgerichtet stand er mitten auf der leeren Straße. Der Panzer rollte auf ihn zu.
    Dr. Portner drückte den Kopf auf den rechten Unterarm und schloß die Augen. Er konnte nicht mehr hinsehen.

15
    General Gebhardt sah sich um. Neben ihm stand Oberst von der Haagen mit leeren, verquollenen Augen. Seine Mundwinkel hingen herab, die Lippen waren halb geöffnet, die dicke Zunge preßte sich durch die Zähne. Es war kein schöner Anblick mehr. Gebhardt zeigte mit dem Lauf seiner Maschinenpistole auf den rumpelnden Panzer.
    »Brav, von der Haagen!« schrie er. »Ich den Sehschlitz, Sie die Luke …«
    »Ich dachte … ich den Sehschlitz …« Der Oberst würgte. Der General winkte ab.
    »Ihre Hand zittert, Oberst! Den Turm treffen Sie leichter als den Schlitz. Also denn – Feuer frei! Es lebe Deutschland!«
    »Es lebe …« Von der Haagen hob mit einem Ruck die Waffe. Dann feuerte er … breitbeinig stand er neben dem General auf der Straße, mitten auf dem Asphalt, ohne Deckung, er schoß auf den Turm, von dem seine Kugeln abprallten und wegsurrten in die Trümmer. Und plötzlich war er ganz ruhig … er sah, wie das schwere MG aus dem Panzerturm zu ihnen hinschwenkte, sah, wie der schwarze Lauf zu zittern begann, hörte das tackende Hämmern der Abschüsse … Er stand neben dem General und schoß zurück, irgendwohin, nicht mehr gezielt.
    General Gebhardt sank in die Knie. Die Maschinenpistole fiel ihm aus den Händen, schepperte über die Straße … aus dem Knien fiel er nach vorn auf das Gesicht, seine Beine zuckten unter seinem Leib, sie streckten sich … dann lag er still. Im gleichen Augenblick spürte auch von der Haagen, wie sechs glühende Stiche durch seinen Körper jagten. Die Welt wurde plötzlich federleicht … er fühlte sich hinfallen, er hörte das Dröhnen der Panzermotoren, aber er empfand keinerlei Schmerzen, nur wundervolle Leichtigkeit und das Hereinbrechen einer sich immer mehr verstärkenden Dämmerung.
    Und davor habe ich Angst gehabt, dachte er noch. Es war sein letzter Gedanke. Den letzten Einschuß, der seine Schädeldecke aufriß, spürte er nicht mehr … er war schon tot, als sein Körper neben den des Generals Gebhardt rollte.
    Dr. Portner lag noch immer zwischen den Ruinen, den Kopf auf den Unterarmen. Als die Feuerstöße verstummten, blickte er auf. Er sah die beiden Körper auf der Straße liegen, der Panzer war stehengeblieben und tastete das Trümmerfeld ab. Sein Turm drehte sich langsam von links nach rechts.
    »Er lebt ja noch …«, stammelte Dr. Portner. »Mein Gott … er lebt ja noch …« Er hob den Kopf und starrte zu General Gebhardt. Der Rücken des Liegenden zuckte, ein Arm glitt über den Asphalt der Straße, als suche er Halt. »Er lebt ja noch!« schrie Dr. Portner. Mit einem Satz sprang er auf und riß sein Taschentuch aus der Manteltasche. In Ermangelung einer Rot-Kreuz-Fahne schwenkte er das weiße Taschentuch über seinem Kopf, stieg aus den Ruinen und ging aufrecht auf die beiden Liegenden und den Panzer zu. Dr. Körner umklammerte die Steine, hinter denen er Deckung gesucht hatte. »Herr Stabsarzt!« brüllte er. Seine Stimme gellte in die plötzliche Stille hinein. »Herr Stabsarzt!!«
    Dr. Portner ging unbeirrt weiter. Er schwenkte den kleinen weißen Fetzen und sah den Panzer gar nicht an, dessen Turm wieder zur Straße glitt. Er hatte General Gebhardt erreicht und drehte den Körper auf den Rücken. Der General war noch nicht gestorben, aber die Augen besaßen schon die Starrheit der Ewigkeit.
    Der Stabsarzt knöpfte den Mantel und den Rock des Generals auf. Aus sieben Brustwunden tropfte ihm das Blut über die Hände. Es war sinnlos, was Dr. Portner tat, aber seine Erschütterung war so groß, sein Kopf so völlig entfernt von aller Logik, daß er drei der russischen Verbandspäckchen, die die Pannarewskaja mitgebracht hatte, aus der Tasche zog und sie aufriß.
    Weiter kam er nicht. Ein einzelner Schuß aus der Panzerluke traf ihn genau zwischen die Augen. Er warf die Arme hoch, die Verbandspäckchen flogen durch die eisige Luft, dann fiel er über General Gebhardt, als könne er ihn noch im Tode schützen.
    Dr. Körner zitterte am ganzen Körper. Als er Dr. Portner fallen sah, war es ihm, als habe auch sein Leben aufgehört. Er
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