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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken
Autoren: Judith Lennox
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einem kurzen, geringschätzigen Lachen. »Zum Nachdenken gehe ich immer zum Rhenish Tower hinunter. Das tut mir gut.«
    Â»Worüber haben Sie denn –« Er unterbrach sich hastig. »Oh, entschuldigen Sie. Das geht mich natürlich gar nichts an.«
    Einen Moment schwieg sie, dann blickte sie zum Haus zurück und sagte: »Es ist kein Geheimnis. Ich habe über meine Zukunft nachgedacht. Ich muss bald von hier fort.«
    Er erinnerte sich, wie sie dort gestanden hatte, viel zu nahe am Rand der Steinmauer in den Wind gelehnt. »Es hat – gefährlich ausgesehen.«
    Â»Es war nicht gefährlich. Was hätten Sie getan, Mr. Finborough, wenn ich ins Wasser gefallen wäre? Wären Sie hineingesprungen, um mich zu retten?« Ihr Ton war spöttisch.
    Â»Ja, ich denke, das hätte ich getan«, sagte er ruhig.
    Â»Wie unerhört ritterlich, sich um jemanden, den man gar nicht kennt, solche Sorgen zu machen.«
    Â»Haben Sie nie so starke Sehnsucht nach Gesellschaft verspürt, Miss Zeale, dass Sie bereit waren, jeden Fremden auf der Straße anzusprechen?«
    Ihr Gesicht verschloss sich wieder. »Einmal«, sagte sie leise. »Aber das ist lange her. Heute nicht mehr.« Das Feuer erlosch langsam; ihre Züge verloren die vorübergehende Lebhaftigkeit, und sie fröstelte. »Ich muss gehen. Ich habe noch eine Menge zu tun. Guten Abend, Mr. Finborough.«

    Darauf bedacht, sich nicht zu bald wieder im Orchard House sehen zu lassen, verbrachte Richard die folgenden Tage bei den Colvilles in dem gemieteten Cottage in der Nähe von Woolacombe, wo Sidney Colville, ausnahmsweise mitteilsam gestimmt, sich redlich bemühte, ihm die chemische Zusammensetzung von Casein-Kunststoffen zu erklären, und dabei unzählige Blätter Papier mit Formeln vollkritzelte. Immerhin gingen sie ab und zu ins Freie hinaus, um frische Luft zu schöpfen. Sidney, der ein leidenschaftlicher Vogelliebhaber war, erzählte ihm alles über die Seevögel, die sie sahen, und Richard hörte höflich zu, während er in Gedanken bei Isabel Zeale war.
    Als er Ende der Woche wieder in Lynton war, versuchte er, Näheres über sie zu erfahren, und hörte, dass sie vor mehr als zwei Jahren, im Sommer 1907, ihre Stellung im Orchard House angetreten hatte. Charles Hawkins, ihr Arbeitgeber, war bis zum Tod seiner Frau sieben Jahre zuvor Leiter eines Knabeninternats gewesen. Seine Eigenheiten hatten die Leute im Dorf geduldet, die seiner Haushälterin nicht. Die Art wie diese sich kleidete, ihr Akzent, dem das für Devon typische Gutturale fehlte, ihre Zurückhaltung neugierigen Fragen gegenüber – das alles hatte bei den Dorfbewohnern Groll hervorgerufen. Ja, sogar dass sie gern und viel las, hatte Misstrauen erregt. In den Augen der Leute war sie eine hochnäsige Person, die sich für etwas Besseres hielt, das war leicht zu erkennen. Von der schwersten Sünde jedoch, die sie begangen hatte, wurde nur in Andeutungen gesprochen. So dreist, ihm rundheraus zu sagen, dass Isabel Zeale ihre Stellung als Haushälterin dazu benutzt hatte, Charles Hawkins’ Geliebte zu werden, war dann doch niemand. Aber es war klar, was alle dachten.
    Das nächste Mal sah Richard sie im Ort. Er war nach dem Frühstück zum Hafen hinuntergegangen, und als er nach Lynton zurückkam, sah er sie nicht weit entfernt vor sich. Sie hatte die rote Jacke an und trug einen Einkaufskorb. Noch während er sie beobachtete, wurde sie von mehreren Männern, die aus dem Pub getorkelt kamen, so derb angerempelt, dass ihr der Einkaufskorb aus der Hand fiel. Er hörte Gelächter und Johlen, als ein Laib Brot in den Rinnstein rollte und Mehl aus einer geplatzten Tüte auf die Pflastersteine stäubte.
    Isabel Zeale bückte sich, um die Sachen einzusammeln. Ein Kohlkopf rollte Richard vor die Füße. Er hob ihn auf und eilte zu ihr. »Hier.« Er legte das Gemüse in den Korb. »Warten Sie, ich helfe Ihnen gleich.«
    Sie packte ihn am Ärmel. »Nein. Lassen Sie sie gehen.«
    Â»Aber sie haben Sie absichtlich angerempelt. Ich habe es genau gesehen. Das kann man ihnen nicht einfach durchgehen lassen.«
    Leise und eindringlich sagte sie: »Wenn Sie sich jetzt einmischen, muss ich es nachher büßen. Sie fahren in ein paar Tagen wieder ab, Mr. Finborough, ich kann das nicht. Ich habe keine andere Bleibe.«
    Widerstrebend nickte er und
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