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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen
Autoren: Anne Stuart
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sie. „Ich weiß, dass sie nicht
deine
ist, aber ich bin für sie verantwortlich. Müssen wir das wirklich jeden Tag aufs Neue durchkauen, Marty? Warum hackst du zur Abwechslung nicht mal auf
anderen
Leuten herum?“
    „Weil nur du mir Ärger machst, und ich werde dir so lange auf die Nerven fallen, bis du mir zuhörst.“
    „Ich höre dir zu“, sagte sie geduldig. „Ich bin mir darüber im Klaren, dass du deine Freunde vermisst, aber, Marty, diese Leute waren nicht gut für dich.“
    „Woher willst du das wissen?
Du
hast doch schließlich keine Freunde. Hand aufs Herz, Sophie, du hast keine Ahnung, wie man Freunde findet, und du bist neidisch, dass ich so viele habe.“
    „Deine so genannten Freunde sind ein einziges Ärgernis.“ Noch ein Fehler, dachte Sophie, sobald sie den Satz ausgesprochen hatte. Das gab Marty nur Gelegenheit zurückzuschießen. Wie schaffte ihre kleine Schwester es nur immer wieder, sie derart zu provozieren?
    Marty warf ihr ein säuerliches Lächeln zu. „Dann passe ich ja glänzend zu ihnen, was?“
    „Bitte, Marty …“
    „Die verdammten Handtücher sind längst in dem verdammten Wäscheschrank. In Türkis und Beige und Elfenbein und Lavendel und jeder anderen verdammten Farbe, die du für nötig hältst“, bellte sie. „Alles für deine bescheuerten Gäste. Und jetzt lass mich in Frieden.“
    Mit dem Kaffee und der Zeitung in der Hand stürmte sie zur Tür hinaus. Sophie schaute ihr nach; ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie nahm sich den dritten Muffin.
    Es sah nicht so aus, als würden die Wolken sich bald verziehen. Marty war seit Monaten, im Grunde seit ihrer Ankunft in Colby, mürrisch und niedergeschlagen. Sophie hatte gehofft und gebetet, dass der Abschied von der Stadt dem Mädchen einen Neuanfang ermöglichen würde. Dass die Sonne und die Landluft und die harte Arbeit einen guten Einfluss auf sie hätten.
    Bis jetzt schien das nicht der Fall zu sein. Zwar bemühte sich Sophie, Martys Gemeinheiten zu ignorieren und gute Miene zum bösen Spiel zu machen, aber sie war nicht zur Heiligen geschaffen. Wie ein geheimes Mantra wiederholte sie ständig den Gedanken, dass ihre Bemühungen sich eines Tages auszahlen würden.
    Sie waren nicht gerade eine ideale Familie. Grace hatte sich von ihrem faden Ehemann aus dem mittleren Westen scheiden lassen, als Sophie neun gewesen war, hatte ihr einziges Kind in ein Internat gesteckt und war in die weite Welt hinausgezogen. Morris, Sophies Vater, hatte bald wieder geheiratet, noch eine Tochter – Marty – gezeugt und Sophie während ihrer Ferien in die steife, sterile Atmosphäre seines Zuhauses einzubinden versucht. Als Marty neun war und ihre Eltern bei einem Autounfall starben, wurde plötzlich alles anders. Familie war Familie, und Sophie, die gerade ihren Abschluss an der Columbia University gemacht hatte, hatte die Schwester unter ihre Fittiche genommen und ihr in Grace’ altem Appartement in der East Sixty-sixth Street ein Zuhause bereitet. Der Verlust der Eltern war an Marty natürlich nicht spurlos vorübergegangen, aber die Globetrotterin Grace und die umso sesshaftere Sophie hatten alles versucht, um diese Lücke zu füllen, was ihnen auch einigermaßen gelungen war. Bis Marty vor anderthalb Jahren angefangen hatte, von einem Desaster ins nächste zu taumeln, und bei Grace erneut Brustkrebs diagnostiziert worden war. Seither ging es bergab.
    Als sie den Muffin aufgegessen hatte, entfernte sie sich vom Tisch, um nicht womöglich noch mehr Trostfutter in sich hineinzustopfen. In den letzten Monaten hatte sie pausenlos gearbeitet. Die Stonegate-Farm war zuletzt Anfang der Achtziger als Gasthaus bewirtschaftet worden, und in den letzten fünf Jahren hatte das Anwesen ganz leer gestanden. Schon das Großreinemachen war ein Kraftakt gewesen, und die Renovierung, die Sophies spärliche Rücklagen aufgezehrt hatte, der Anstrich und die Einrichtung konnte man nur als herkulische Großtat bezeichnen. Das Hauptgebäude war wieder hergerichtet, aber der hintere Flügel stellte noch eine Gefahr für Leib und Leben dar, so dass sie ihn mit Brettern vernagelt hatte. Ob sie ihn renovieren oder abreißen würde, sollte die Zukunft zeigen.
    Vorerst hatte sie schon mit dem Hauptgebäude der Farm alle Hände voll zu tun. Professionelle Kräfte konnte sie sich kaum leisten, und Grace war zu zerstreut, um ihr eine große Hilfe zu sein – von Marty ganz zu schweigen, die fast nur Scherereien machte. Das Gasthaus stand kurz vor seiner
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