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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen
Autoren: Anne Stuart
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schroff zurück.
    „Du hast ihn dir doch noch gar nicht richtig angeschaut.“
    „Bin nicht interessiert. Ich habe genug damit zu tun, mein eigenes Leben in den Griff zu kriegen, und kann weitere Komplikationen ebenso wenig gebrauchen wie Marty.“
    Die Missbilligung, die in Marges Blick aufblitzte, entging ihr nicht. Ihre Freundin machte keinen Hehl daraus, was sie von Marty beziehungsweise von Sophies Verhalten ihrer kleinen Schwester gegenüber hielt.
    „Marty kann gut auf sich selbst aufpassen, wenn du sie nur lässt“, erklärte Marge.
    „Na, bisher hat sie eine ziemlich erbärmliche Vorstellung gegeben.“ Sie wartete darauf, dass Marge ihr mitteilte, ihre eigene Bilanz sei ebenfalls ziemlich erbärmlich, aber Marge äußerte nichts dergleichen. Sie wusste wahrscheinlich, dass das nicht nötig war.
    „Ich muss zurück an die Arbeit“, verkündete Marge. „Doc will wohl später einmal vorbeischauen. Möchte wetten, er ist neugierig auf deinen Nachbarn – wenn du es schon nicht bist.“
    Sophie lächelte zögerlich. „Doc ist ein altes Klatschmaul. Wenn der Mann irgendwelche Geheimnisse hat, wird Doc sie ihm entlocken.“
    Marge warf einen letzten, sehnsüchtigen Blick in Richtung Cottage. „Er ist ein Bild von einem Mann, so viel verrate ich dir“, sagte sie und schmatzte mit den Lippen. „Lass es mich wissen, wenn ich dir irgendwie helfen kann.“
    „Außer ihm zu kündigen, meinst du?“
    „Solange du Marty von ihm fern hältst, dürfte es keinen Ärger geben“, entgegnete Marge. „In ein paar Wochen werdet ihr viel zu beschäftigt sein, um euch über einen unerwünschten Nachbarn den Kopf zu zerbrechen.“
    „Ich finde immer Zeit, mir den Kopf zu zerbrechen.“
    „Dann hör jetzt damit auf“, befahl ihr Marge.
    „Yes, Ma’am. Ich sollte Mr. Smith ein paar Muffins bringen und ihn hier willkommen heißen. So kann ich vielleicht herausfinden, wie lang er wirklich bleiben möchte.“
    „Wenn du ihm einige von deinen Muffins bringst, wird er nie wieder weggehen wollen“, schmeichelte Marge. „Meine Kochkünste hingegen würden ihn nach … wohin auch immer zurücktreiben.“
    „Ich könnte sie ja vergiften“, überlegte Sophie. „Das wäre ein Weg, ihn loszuwerden.“
    „Mach keine Witze über Morde, Sophie. Nicht hier.“ Der Ernst in Marges Stimme war nicht zu überhören. „Die Leute haben ein gutes Gedächtnis.“
    „Ach ja?“ Sie warf noch einen Blick zum Whitten-Haus hinüber, um ihren unerwünschten Nachbarn in Augenschein zu nehmen.
    Er war nirgends zu sehen.

2. KAPITEL
    G riffin hatte den Eindruck, dass sich hier in diesen zwanzig Jahren wenig verändert hatte. Im Gemischtwarenladen trieben sich etwas mehr Touristen herum, dafür gab es weniger öffentliche Parkplätze. In der ehemaligen Mühle war jetzt ein Geschenkartikelladen, und in der Stadtmitte gab es ein neues Geschäft für schottische Wollsachen, das von den wohlhabenden Sommerfrischlern lebte. Und die Stonegate-Farm hatte eine neue Besitzerin, die hier im September – rechtzeitig zur spektakulären Verfärbung der Wälder – wieder ein Gasthaus eröffnen wollte.
    Nein, Colby hatte sich kaum verändert: immer noch dieselbe überzüchtete, verbildete Harvard-, Yale- und Princeton-Brut, immer noch dieselben Einheimischen, die lächelnd um sie herumscharwenzelten und sie hinter ihrem Rücken verachteten. Es waren nur mehr geworden.
    Warum, zum Teufel, war er zurückgekehrt? Er hasste diesen Ort mit seinem ländlich-idyllischen Charme und seiner Kleinstadtgeschäftigkeit. Vor zwanzig Jahren hatte er sich hier zum ersten Mal in seinem rastlosen Leben ansatzweise heimisch gefühlt. Wie gastfreundlich der Ort wirklich war, hatte er erst herausgefunden, als man ihm einen Mord anhängte, von dem er nicht glaubte, dass er ihn begangen hatte.
    Nein, er scherte sich einen Dreck um Colby, Vermont, oder die Menschen, die hier lebten. Ihn interessierte nur die Wahrheit.
    Er wollte möglichst keinen alten Bekannten in die Arme laufen, die ihn womöglich wiedererkennen würden. Als er im Ort ein paar Lebensmittel besorgt und sich dann in Richtung Whitten-Cottage abgesetzt hatte, war er den Leuten so gut wie möglich aus dem Weg gegangen. Das hatte sich in der Tat geändert: Vor zwei Jahrzehnten konnte man Audleys Gemischtwarenladen nicht verlassen, ohne vorher ausgefragt zu werden, wo man sich eingemietet und was einen nach Colby geführt hatte, wie lang man bleiben wollte und mit wem man verwandt war. Die Sommerfrischler
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