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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen
Autoren: Anne Stuart
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noch etwas zu entdecken gab.
    Sie starrte ihn so seltsam an. Kein Wunder, vermutlich war sie an Männer gewöhnt, die sie hofierten. Nun erhob er sich doch. Wenn ihm nur zwei Wochen blieben, wollte er das Beste aus jeder Gelegenheit machen, die sich bot, ob er nun in der richtigen Stimmung war oder nicht, anstatt von vorneherein ihr Misstrauen zu wecken.
    „Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen, Mrs. Davis?“ fragte er höflich, sobald er stand. Er überragte sie um einiges. Kleine Frauen mochte er nicht, aber
so
klein war sie nun auch wieder nicht. Sie verströmte nur dieses verdammte weibliche Flair, das ihm den Nerv raubte. Sie war wahrscheinlich nicht einmal dreißig, hatte aber etwas verstörend Altmodisches an sich. Er wollte sie nicht um sich haben, solange er noch dabei war, sich hier einzugewöhnen. Andererseits kam sie vom Gasthaus, und es wäre dumm gewesen, sie gleich wieder zu vertreiben.
    Sie schien sich in ihrer Haut ebenfalls nicht wohl zu fühlen und suchte offenbar nach einer Gelegenheit, sich abzusetzen. „Sophie“, erwiderte sie. „Ich bin nicht verheiratet. Und ich muss jetzt wirklich zurück. Ich wollte Sie nur kurz in der Nachbarschaft willkommen heißen. Sobald wir geöffnet haben, sollten Sie mal zum Abendessen vorbeikommen.“
    Sie sah aus, als würde sie lieber Würmer verspeisen, als ihn zu bewirten. Es war ihm nicht gelungen, sie für sich einzunehmen, was kein Wunder war. Sie guckte ihn an wie Rotkäppchen den großen bösen Wolf. Und damit lag sie gar nicht so falsch.
    „Gerne“, antwortete er. Tatsächlich würde er in zwei Wochen schon über alle Berge sein – mit oder ohne die gesuchten Antworten. „Danke für die Muffins.“ Er fertigte sie so schroff ab, dass es ihr gar nicht entgehen konnte.
    Sie lächelte spröde. „Keine Ursache.“ Dann wandte sie ihm den Rücken zu, eilte die Stufen hinab und verschwand aus seinem Leben. Eine Brise verfing sich in ihrem weiten Blumenrock.
    Er ließ sich wieder in den Stuhl sinken und blickte ihr mit zusammengekniffenen Augen nach. Er traute ihr nicht. Allerdings traute er grundsätzlich niemandem. Kein Mensch konnte so geleckt sauber sein. Sie hatte erwähnt, dass sie seit Monaten an dem Haus arbeiteten. Welche Geheimnisse hatte sie dabei aufgedeckt, welche Spuren vernichtet? Verdammt, er hatte sich zu lange davor gedrückt, der Vergangenheit ins Auge zu schauen. Er konnte nicht noch länger warten, und kein rosig-niedliches Frauchen würde ihm in die Quere kommen. Ganz gleich, wie groß die Versuchung war.
    „Dreckskerl“, murmelte Sophie, während sie sich auf dem überwucherten Pfad zum Gasthaus vorankämpfte. Schlimmer noch: ein gut aussehender Dreckskerl. Sophie musste Marge in diesem Punkt Recht geben. Er war groß, und hoch aufgeschossene Männer hatten ihr immer schon besonders gut gefallen. Seine Züge waren eher interessant als hübsch: Seine geschwungene Nase, die hohen Wangenknochen und das stark ausgeprägte Kinn verliehen ihm das Aussehen einer römischen Büste – und er war auch ungefähr so lebhaft. Die Brille mit dem Drahtgestell ließ seine Augen noch dunkler erscheinen, und sein Mund hätte sexy wirken können, wenn er nicht permanent Missbilligung zum Ausdruck gebracht hätte. Sein Haar – ein Gewirr aus dunklen Locken mit grauen Strähnen – war zu lang, und er hatte das Wesen einer Python.
    Diese aufmerksame Regungslosigkeit, in der er verharrt hatte, machte sie nervös, obwohl sie nie zur Paranoia geneigt hatte. Sie wurde einfach das Gefühl nicht los, dass John Smith Ärger suchte.
    Andererseits war es nur gut, dass er sich so unfreundlich verhielt, denn wenn es um gut aussehende Männer ging, sah Marty über Altersunterschiede schon mal gerne hinweg. Ein Blick in Mr. Smiths elegantes, klassisches Gesicht würde Marty womöglich ausreichen, um sich hoffnungslos in ihn zu verknallen. Sophie konnte nur hoffen, dass er sich Marty gegenüber ebenso abweisend benehmen würde.
    In der besten aller möglichen Welten würde er Marty genügend ablenken, um sie etwas aufzumuntern. Sie litt noch immer unter dem Verlust ihres letzten Freundes, eines unangenehmen, tätowierten jungen Mannes, der „Schlange“ genannt wurde, und bis jetzt hatte die Einsamkeit des nördlichen Seeufers verhindert, dass sie sich einen Ersatzmann anlachte. Sophie war allerdings nicht so naiv zu glauben, die Jungs vom Lande wären per se harmloser als die in der Stadt. Wenn Marty eine aussichts- und folgenlose Schwärmerei für ihren
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