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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe
Autoren: Reginald Hill
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Kugeln von den Granitwänden abprallten und in die hohe Wölbung schlugen, wo sie zunächst eine raschelnde Wellenbewegung und dann eine kreischende, flügelschlagende Eruption von Fledermäusen auslösten.
    Der Schütze hielt inne und beobachtete erstaunt, wie die Fledermäuse ihrem felsigen Ruheplatz entströmten und über ihm den grauen Himmel eintrübten. So viele! Wer hätte gedacht, daß es so viele sein könnten?
    Als sie zwischen den Bäumen verschwunden waren, schritt er weiter voran.
    Aber die Unterbrechung hatte dem Dürren genügt, um unter den Lastwagen zu fassen und eine unter dem Radkasten versteckte Waffe hervorzuziehen.
    Als sein Gegner am Hinterrad vorbeikam, schoß er ihm durchs Bein, und als er zu Boden stürzte, in den Kopf.
    Der andere Schütze ließ den Koffer los und ging in die Hocke, die Waffe in Richtung seines sterbenden Gefährten gerichtet.
    Der Dürre aber rollte auf der anderen Seite des Lastwagens hervor. Er ließ sich Zeit beim Zielen, um sicherzugehen, daß sein erster Schuß traf.
    Der andere verharrte einen Augenblick in seiner Hockstellung, dann kippte er langsam und blieb schwach zuckend auf der Seite liegen, ein Auge auf die hohen Baumwipfel gerichtet. Der Dürre näherte sich vorsichtig, wobei er sich mit einem Arm die blutende Seite hielt, und entleerte sein Magazin in das starrende Auge.
    Dann ließ er sich auf dem Koffer nieder, öffnete sein Hemd und untersuchte seine Wunde.
    Sie tat weh, war aber nicht lebensbedrohlich. Das Fleisch lag bloß, möglicherweise war eine Rippe angekratzt, doch die Wunde war nicht tief. Allerdings blutete sie stark, und ehe er es schaffte, sie mit Stoffstreifen zu verbinden, die er aus dem Hemd des toten Schützen zu seinen Füßen riß, hatte er schon viel Blut verloren.
    Er öffnete den Koffer, nahm eines der Päckchen heraus, das der Glotzäugige angeritzt hatte, schüttete sich ein wenig von dem Pulver auf die Hand, führte es zur Nase und nahm einen langen, kräftigen Zug.
    Dann zog er ein Handy hervor und wählte:
    »Soy yo … sí …
So früh, das wußte ich nicht
… sí … poco …
nicht so breit wie ein Scheunentor … KP  … es muß … tut mir leid …
dos horas … quizá tres … sí …
KP
… sí, … te quiero … adiós.
«
    Er steckte das Handy weg und nahm den Koffer auf, wobei er sich vor Schmerzen krümmte. Im Weggehen hatte er das Gefühl, beim Jeep bewege sich etwas. Er wandte sich noch einmal um und schwenkte drohend seinen Revolver.
    Nichts rührte sich. Er war zu schwach, um die Sache genauer zu untersuchen. Außerdem hatte er seine Munition verschossen. Er wandte sich wieder dem Lastwagen zu.
    Den Koffer und sich selbst in die Fahrerkabine zu hieven war eine Qual. Eine Weile blieb er über das Lenkrad gelehnt sitzen. Bewegte sich da nicht doch etwas beim Jeep, oder war es der Schmerz, der dem Bild des Todes falsches Leben verlieh? Wahrscheinlich waren es die Fledermäuse, die jetzt, da alles wieder ruhig schien, hoch oben in das Maul ihrer Höhle zurückflatterten.
    Wieder griff er in den Koffer und sog eine Prise von dem Pulver ein.
    Dann ließ er den Motor an, legte den Gang ein, und ohne einen Blick zurück auf die klaffende Höhle, den düsteren See oder die Leichen fuhr er mit dem ratternden Lastwagen in den dunklen Tunnel hinein, der sich durch die dichten Bäume wand.
     
    Hoch oben auf dem sonnenbeschienenen, windigen Snake Pass, der Lancashire mit Yorkshire verbindet, dachte Peter Pascoe: »Ich bin verliebt.«
    Selbst mit der Blutspur, die sich von ihrer Nase über die zweifache Wölbung ihrer vollen Lippen zog, um über ihrem bezaubernden Kinn zu verrinnen, sah sie immer noch so verdammt gut aus, daß man sie einfach nur dämlich angrinsen konnte.
    »Alles in Ordnung?« fragte er, dämlich grinsend, bis er merkte, daß das vielleicht nicht der passende Gesichtsausdruck war.
    »Ja doch«, antwortete sie ungeduldig und tupfte ihre Nase mit einem Papiertaschentuch ab. »Dauert das noch lange?«
    Der Taxifahrer, an den sie die Frage gerichtet hatte, schaute vom eingebeulten und leckenden Kühler seines Fahrzeugs auf den querstehenden Lastwagen, den er gerammt hatte, und meinte sarkastisch: »Sobald ich das da repariert habe und den dort weggeschafft habe, geht’s weiter, junge Frau.«
    Pascoe, der, von Manchester kommend, über den Snake Pass fahren wollte, war hinter dem Lastwagen gewesen, als der sich quer gestellt hatte. Reines menschliches Mitgefühl hatte ihn bewogen, nachzuschauen, ob
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