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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben
Autoren: Anna Degen
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gekreischt, die alte Hexe. Behandelt man so seinen einzigen Neffen? Ich hätte mich ja auch um sie gekümmert, hätte ihr ein schönes Altersheim gesucht, wenn ich das Haus günstig hätte verkaufen können. Ich hatte mir schon Prospekte von Seniorenheimen besorgt. Aber sie hat mir keine Chance gelassen. Sie hat keinen meiner Briefe beantwortet, und ihr Telefon ging nicht. Was blieb mir anderes übrig?«
    »Und wie wollten Sie sie töten?« Werner fragte sehr zurückhaltend, um Joschis Redefluss nicht zu stoppen.
    Joschi bohrte sich die Mittelfinger in die Augenwinkel. »Ich hatte ein Betäubungsmittel aus der Praxis.« Er schaute auf. »Aber ich habe sie nicht umgebracht. Sie war schon tot, ich schwöre es. Und als ich sie so gesehen habe … ich hätte es, glaube ich, auch nicht fertiggebracht. Sich etwas ausdenken, einen Plan entwerfen ist das eine, aber es dann tun … ich hätte es nicht gekonnt.«
    »Diese Skrupel hatten Sie gestern Nacht bei Frau Tal aber nicht«, zischte Benno.
    »Hanna? Die kleine Journalistenschlampe?« Joschi schaute unter gesenkten Lidern zu Benno hinüber. »Das war doch etwas ganz anderes. Ich wollte die süße Hanna doch nicht umbringen, nur ein bisschen bestrafen. Sie ist eine Diebin. Sie hat etwas gestohlen, was mir gehört, und Diebe gehören bestraft. Und sie hat mich beleidigt, sie hat mich zum Idioten gemacht … das lasse ich mir nicht gefallen! Die Tussi hat nur gekriegt, was sie verdient!« Sein hämisches Grinsen missriet kläglich.
    Werner stand auf, stellte sich neben Bennos Stuhl und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Herr Schneider, ich denke, wir unterbrechen die Vernehmung an dieser Stelle. Wir bitten das Gericht, Ihnen einen Pflichtanwalt zu bestellen. Dann reden wir weiter.« Er rief nach dem Wachtmeister, der Joschi in die Zelle zurückbringen sollte.
    Beim Hinausgehen warf Joschi einen eigenartigen, fast triumphierenden Blick auf Benno.
    Dann war es still im Zimmer. Benno stand auf, ging zum Fenster und starrte hinaus, blind für das Draußen. Nach einer Weile atmete er tief aus. »Entschuldige bitte«, sagte er, bevor er sich an den Tisch setzte. »Und danke, dass du mich davor bewahrt hast, ihm den Hals umzudrehen.«
    »Hm«, machte Werner und lächelte unmerklich. »Warum erzählt uns der Kerl das alles? Der redet sich doch um Kopf und Kragen! Ich hätte eher gedacht, dass er den Mann von Welt markiert, der nur mit Anwalt agiert.«
    Benno zog nachdenklich an seiner Nase. »Ja, das dachte ich anfangs auch. Aber ich glaube, der ist am Ende. Der brauchte jemanden, mit dem er reden konnte. Du hast dich angeboten.«
    »Trotzdem, ich weiß nicht … Meinst du, er hat Frau Rothammer umgebracht?«
    »Ja. Er hatte das gewichtigste Motiv der Welt: Er brauchte Geld, verzweifelt. Das zeigt ja der Brief dieses dubiosen Kreditinstituts, den Hanna uns gegeben hat. Ganz abgesehen von seinem famosen Alibiplan! Deutlicher geht’s doch nicht! Ich bin überzeugt davon, dass er Hanna aus dem Weg räumen wollte, weil sie genau das entdeckt hatte!«
    »Trotzdem, er scheint zwar zutiefst kränkbar zu sein und außerdem eine beachtliche Begabung zur Selbstrechtfertigung zu besitzen, aber mir kommt das, was er ausgesagt hat, zumindest nicht unwahrscheinlich vor.«
    »Aber er hat doch eigentlich immer nur das zugegeben, was wir sowieso schon wussten, oder er hat sich berichtigt, sobald wir ihn der Lüge überführt haben. Ich glaube, dass er da einen raffinierten Plan ausgeheckt hat, wie er aus der eigentlichen Mordanklage rauskommt. Aber ich bin in dem Fall vielleicht nicht ganz unvoreingenommen.«
    »Nicht ganz«, bestätigte Werner. »Wie machen wir jetzt weiter?«
    »Mir ist da etwas aufgefallen: Woher wusste Frau Kurt von dem Tod von Karla Schneider, wenn Joschi Schneider es ihr nicht mitgeteilt hat?«
    »Ja, genau das habe ich mir auch überlegt. Ich werde sie fragen.«
    »Na, wie auch immer, wir reden später weiter. In meinem Büro wartet Tanja Steinhübel, die Kleine aus dem Haus am Nonnengraben. Ich hab sie auf heute Nachmittag umbestellt. Sie soll mir mal erzählen, wie sie Frau Rothammer gefunden hat. In allen Einzelheiten.«
    »Gut, bis später. Ich hör mir dann noch mal den Mitschnitt von der Vernehmung an. Da waren mehrere Sachen, die mir komisch vorkamen.«
     
    Nach dem Gespräch mit Tanja rief Benno Werner an. »Es scheint leider so, als hätte Joschi Schneider die Wahrheit gesagt. Es war Tanja, die den Blumenstrauß, den er erwähnte, auf den Tisch gelegt hat. Wenn
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