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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben
Autoren: Anna Degen
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Badezimmertür drehte, eine Zeit lang Gepolter und Schneiders zornige Stimme. Dann war es still. Was, um Gottes willen, konnte diese Stille bedeuten? Hatte der Mörder auch Hanna umgebracht? Oder hatte er mit ihr zusammen das Zimmer verlassen?
    Benno rüttelte verzweifelt an der Badezimmertür, doch die war tatsächlich vom guten alten Schlag, unerschütterlich und stabil. Er fluchte gottserbärmlich, schwor sich, nie mehr in seinem Leben das Handy zu vergessen und versuchte, ob er nicht doch durch das Badezimmerfenster entkommen könnte. Aber es war zu klein, er konnte sich nur bis zu den Schultern hinauszwängen. Während Benno sich noch im Fensterrahmen hin und her wand, kam Werner über die Mühlbrücke. Benno schrie wie verrückt und fuchtelte wild mit den Armen. Aber Werner ging unter seinem Schirm dahin und schaute nicht auf. Benno war den Tränen nahe, als Werner im letzten Moment doch noch auf ihn aufmerksam wurde. Er schaute fragend und rufend zu Benno hinüber. Der strengte seine Stimme an, so sehr er konnte, aber Werner verstand ihn offensichtlich nicht, obwohl er samt seinem Regenschirm beide Hände hinter die Ohren legte. Das Wasser rauschte zu laut, und der Regen pladderte zu heftig auf ein benachbartes Blechdach. In seiner Not griff Benno auf die alte Fingersprache aus Schulzeiten zurück, formte: »MORDER MIT HANNA« und deutete heftig nach unten.
    Werner schaute kurz Richtung Hoteleingang, dann hielt er wieder seinen Schirm über sich und ging weiter, als sei nichts geschehen.
    In diesem Moment tauchten Joschi Schneider und Hanna auf. Sie war völlig vermummt. Erst auf den zweiten Blick erkannte Benno, dass das große Tuch, das um ihren Kopf gewickelt war, die Tischdecke aus dem Hotelzimmer war, die Schneider wohl zum Verdecken des Knebels benutzte. Den rechten Arm hatte er ihr um die Schultern gelegt und hielt sie eng an sich gepresst. Werner schien in seinen Taschen nach etwas zu suchen. Dabei ging er mit gesenktem Kopf gerade auf sie zu. Als er dicht vor ihnen war und Joschi ihm eben ausweichen wollte, klatschte Werner ihm seinen Schirm ins Gesicht und stieß Hanna mit dem Fuß zu Boden. Hanna fiel von Schneider weg und knallte auf die nassen Planken der Brücke. Joschi Schneider stürzte sich auf Werner, der versuchte, ihm das Messer aus den Fingern zu zwingen und ihm den Arm auf den Rücken zu drehen. Aber Schneider war schnell, er wehrte sich, die beiden Männer rangen verbissen auf den glitschigen Holzbrettern über dem strudelnden Wasser.
    Benno registrierte erleichtert, dass Hanna sich mühsam aufrappelte und zum Hotel zurückrannte. Als Werner Joschi schließlich überwältigte und die Handschellen sich schlossen, kommentierte er dies nur mit einem mürrischen »Na endlich!«. Seine Rolle in dieser Szene machte ihm eindeutig keinen Spaß.

25
    Hanna lief zum Hoteleingang. Durch die Decke um ihren Kopf konnte sie kaum etwas sehen, und der Knebel erschwerte ihr das Atmen. Die Hotelhalle war menschenleer. An der verlassenen Rezeption versuchte Hanna vergeblich, mit dem Kinn den Klingelknopf zu betätigen. Nahm der Albtraum denn überhaupt kein Ende? Joschi Schneider hatte, bevor er mit ihr das Zimmer verlassen hatte, auf dem Bett einen Haufen Tempotaschentücher angezündet. Sicher brannte inzwischen das Bett lichterloh, womöglich schon das Zimmer, vielleicht schon das Bad, und Benno war dort gefangen. Und weit und breit niemand … Da hörte sie aus der Küche nebenan Stimmen. Sie stieß mit der Schulter die Schwingtür auf. Der Beikoch sah sie und schrie erschrocken auf. Schlagartig herrschte Ruhe in der Küche. Alle starrten sie an, und Hanna war sich schmerzlich bewusst, welch beängstigenden Anblick sie bot: eine eigenartig verhüllte Gestalt, die undefinierbare Laute von sich gab.
    »Wo ist denn die Chefin?«, knurrte der Chefkoch, hinter dem sich die verunsicherten Küchenangestellten versammelten.
    »Ich waas net«, stammelte der Beikoch, der noch immer mit erhobenem Zwiebelmesser und offenem Mund neben dem Herd stand.
    »Kann vielleicht mal einer seinen Hintern bewegen und sie herholen?«
    Hanna verzweifelte schier. Es ging um Sekunden, und diese Idioten standen herum und begriffen nicht, was los war! Da öffnete sich die Küchentür und eine Kellnerin kam herein. Sie war mit zwei Schritten bei Hanna, wickelte ihr die Tischdecke vom Kopf, löste den Knoten des Schals um ihren Kopf.
    Hanna spuckte würgend die Socken aus ihrem Mund. »Feuerlöscher!«, stieß sie hervor,
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