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Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)

Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)

Titel: Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
Autoren: Mortimer M. Müller
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Österreich, Tirol, Schiregion Kitzbühel, Dreiseil-Umlaufbahn, Talstation
Montag, 1. Januar, 08:10 Uhr
    Der späteste Morgen des Jahres begann mit einem solch prachtvollen Sonnenaufgang, dass man hätte meinen können, die Sonne wollte die Kürze des Tages durch einen beispiellosen Lichtertanz vergelten. Keine einzige Wolke zeigte sich am azurblauen Himmel, nicht einmal der Kondensstreifen eines Flugzeuges – als wäre die menschliche Spezies von gestern auf heute von der Erde verschwunden. Die von der Sonne beschienenen Berghänge glänzten im satten Gelb wie gigantische Goldnuggets. Es herrschte eine derart beeindruckende Stille, dass der Eindruck entstehen konnte, nicht die Menschheit, sondern der gesamte Planet hätte beschlossen, den Neujahrsmorgen mit einem erholsamen Schlummer zu beginnen.
    Es riecht nach Frühling
, stellte Benjamin Lehnwieser fest. Das pünktlich vor Weihnachten eingetretene Tauwetter hielt an, mittlerweile waren die Südhänge bis zur Waldgrenze hinauf frei von Schnee. Auch in den kommenden Tagen sah es nicht nach einer Wetteränderung aus. Die Temperaturen würden laut Prognosen sogar weiter steigen – ungewöhnlich, aber nicht außergewöhnlich.
    Benjamin schnupperte und drehte sich in Richtung Süden. Ein schwacher Windhauch, kaum mehr als ein sachtes Vibrieren der Luftmasse; aber er hatte ausgereicht, dass die Temperatur auf über tausendfünfhundert Meter Seehöhe nicht unter den Gefrierpunkt gefallen war. Traumhaftes Schi-, aber schlechtes Schneekanonenwetter. Benjamin betrachtete die schmalen, weißen Bänder an den Bergen ringsum, die sich in abstrakten Formen die ungustiös braune Gebirgslandschaft hinabschlängelten. Dank des frühen Kaltlufteinbruchs Ende November waren die Pisten ausreichend beschneit, aber in einigen Tagen würde es für die unteren Lagen kritisch werden. Blieb zu hoffen, dass der Winter beizeiten wieder Einzug hielt.
    Benjamin blickte auf die Armbanduhr. Es wurde Zeit für den monatlichen Kontrollgang; eine Aufgabe, die in sein Tätigkeitsfeld als Sicherheitschef der Seilbahn GmbH Kitzbühel fiel.
    Ohne Eile betrat er die Station. Er rechnete nicht damit, dass pünktlich um halb neun Horden an Wintersportlern die Seilbahn stürmen würden. Am Neujahrstag waren – wenigstens in den Morgenstunden – die meisten Pisten menschenleer. Dennoch wollte er nicht unter Zeitdruck geraten; die Betriebsführung legte großen Wert auf einen pünktlichen Beginn.
    Benjamin inspizierte die abgestellten Gondeln der Dreiseil-Umlaufbahn, den Verlauf von Trag- und Zugseil samt Spannhydraulik sowie die Überwachungseinrichtungen in der Halle. Zuletzt aktivierte er das elektrohydraulische Aggregat für die Garagierungsbrücke und fuhr die erste Kabine aus der Garage. Die Kuppelklemmen rasteten klaglos ein und hefteten sich vorschriftsmäßig ans Zugseil.
    Alles in bester Ordnung, der Seilbahnbetrieb konnte starten. Benjamin nickte Ibrahim zu, dem heutigen Liftwart der 3S-Talstation, und trat ins Freie. Für einen Moment hielt er inne, schloss die Augen und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut. Es schien einmal mehr ein ereignisloser und entspannter Arbeitstag zu werden. Gut so.

Italien, Südtirol, Schlanders
Montag, 1. Januar, 13:00 Uhr
    „Matteo, bitte, reiß dich zusammen!“
    „Was hast du, Emma? Ich wollte doch nur seine Aussage richtigstellen.“
    „Sie sind unsere Gäste! Das gehört sich nicht.“
    „Sei nicht so zimperlich. François hat sich sogar bedankt.“
    „Aber nur, weil seine Frau daneben gesessen ist. Er wollte sich auf keine Diskussion einlassen.“
    „Hör mal, Emma. Es ist doch lächerlich zu behaupten, James Watt hat die Glühbirne erfunden. Selbst ein Mittelschüler weiß, dass Edison und Swan die ersten brauchbaren Glühlampen hergestellt haben.“
    „Also, ich habe es nicht gewusst. Nicht jeder ist so eloquent und belesen wie du.“
    „Das ist doch kein Grund, eine falsche Aussage im Raum stehen zu lassen.“
    „Der Ton macht die Musik. Deine Antwort klang ziemlich borniert.“
    „Mach dich nicht lächerlich. Ich hab’ ihn völlig sachlich korrigiert.“
    „Da ist dir wohl sein Gesichtsausdruck entgangen. Begeisterung sieht anders aus.“
    „Und wie hätte ich es deiner Meinung nach bringen sollen? Als Witz?“
    „Du hättest
gar nichts
sagen sollen.“
    „Ist es der richtige Weg, Unwissenheit zu unterstützen, indem man sie ignoriert?“
    „Nein. Aber man sollte lernen zu unterscheiden, ob die Richtigstellung einer Aussage
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