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Das Haus am Lake Macquarie

Das Haus am Lake Macquarie

Titel: Das Haus am Lake Macquarie
Autoren: Miranda Lee
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sollen?
    Vielleicht hätte Celia Verständnis für ihre Mutter gehabt, wenn sie selbst auch einmal eine solche Leidenschaft erlebt hätte. Doch so war ihr Jessicas Verhalten masochistisch und selbstzerstörerisch erschienen. Jahrelanges Leid und Enttäuschung hatten Celias Mutter ausgehöhlt. Vielleicht hatte Lionels Tod also verhindert, dass nur noch eine leblose Hülle von ihr zurückgeblieben war. Und wenn Tante Helen und sie, Celia, sich liebevoll um Jessica kümmerten, würde diese keinen Nervenzusammenbruch erleiden oder vor Schmerz den Verstand verlieren.
    Es gelang Celia nicht, den Gedanken an die unglückselige Beziehung zwischen ihrer Mutter und Lionel zu verdrängen, denn das Liebespaar hatte in dem kleinen Haus allzu deutliche Spuren hinterlassen. Jessicas Kleider und ihre sonstigen Besitztümer waren zwar entfernt worden, doch sah man deutlich, dass sie das Haus eingerichtet hatte. Und außerdem fanden sich zahlreiche CDs und Bücher von Lionel – und ein ganzer Vorrat an erstklassigem Wein.
    Celia seufzte. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, nach Pretty Point zu kommen. Aber vorerst musste sie hierbleiben, denn sie hatte zu viel Wein getrunken, um noch Auto zu fahren. Vielleicht heute Abend, dachte sie. Doch ganz egal, wo sie sich aufhielt: Sie würde sich immer Sorgen um ihre Mutter machen. Sie konnte also ebenso gut bleiben – und noch ein Glas Wein trinken.
    Luke hatte sich hoffnungslos verfahren. Er hatte geglaubt, den Weg zu kennen. Aber immerhin war es schon zwanzig Jahre her, dass er das letzte Mal in Pretty Point gewesen war. Als er an der Abzweigung nach Morisset und Cooranboong vorbeigefahren war, wurde ihm klar, dass er bereits zu weit im Norden war. Er wendete, fuhr in die nächste Kleinstadt und kaufte sich eine Straßenkarte der näheren Umgebung. Dann fuhr er wieder los. Diesmal nahm er die richtige Abfahrt, und nach kurzer Zeit erreichte er eine Gegend, die ihm bekannt vorkam.
    Doch es hatte sich auch vieles verändert. In der früher einsamen Gegend waren zahlreiche Häuser gebaut worden. Luke ließ den Blick über den See gleiten. Ihm wurde klar, was für einen Wert das Grundstück besaß, das sein Vater hatte verschenken wollen. Wer immer diese Miss Gilbert ist, sie muss sich verdient gemacht haben, dachte er.
    Je näher er kam, desto mehr nahm seine Anspannung zu. Durch Baumreihen erblickte er ein Haus mit dreieckiger Grundfläche und einem geschwungenen grünen Dach. Luke hielt an und sah sich verwirrt um. Er war sicher, dass dies das richtige Grundstück war – doch das Gebäude ähnelte nicht im Entferntesten dem Wochenendhäuschen, an das er sich noch so gut erinnerte.
    Er fuhr ein Stück weiter und entdeckte ein untrügliches Zeichen, dass er sich tatsächlich am richtigen Ort befand: Eingeritzt in die Rinde eines knorrigen alten Gummibaums waren deutlich die Buchstaben LF zu lesen, die er in seiner Kindheit dort hinterlassen hatte. Der Magen zog sich ihm zusammen. Ungläubig blickte Luke das Haus an – es stand genau da, wo früher die alte Hütte gewesen war. Warum hatte sein Vater nie erzählt, dass er hier ein neues Haus errichtet hatte?
    Keine voreiligen Schlüsse ziehen, ermahnte er sich. Alles würde sich aufklären, wenn er die Bewohnerin kennen lernte. Vielleicht hatte sein Vater das Haus bauen lassen, um es zu verkaufen – und es dann doch der armen Miss Gilbert geschenkt.
    Luke fuhr die von Bäumen gesäumte Auffahrt entlang und parkte bei der Terrasse hinter dem Haus. Dort stand ein sportliches weißes Auto mit Schrägheck – nicht gerade das typische Auto einer alten Jungfer! Er stieg aus, stieg die hölzernen Stufen hinauf und betrachtete die Rückwand des Hauses, die aus Pinienstämmen bestand. Pinie war Lionel Freemans Lieblingsholz gewesen. Ihm wurde klar, dass sein Vater dieses Haus nicht nur gebaut, sondern auch selbst entworfen hatte – ohne seiner Frau oder ihm, Luke, davon zu erzählen.
    Es gab keine Klingel. Lionel Freeman hatte Klingeln gehasst – ebenso wie Telefone. Luke klopfte. Als keine Antwort kam, klopfte er erneut, diesmal lauter. Nichts geschah.
    Warum macht die Frau nicht auf? fragte er sich. War sie vielleicht alt und taub? Er wünschte, es wäre so.
    Plötzlich wurde die Tür geöffnet, und die Frau stand vor ihm. Sie war weder alt noch taub, sondern jung und atemberaubend schön. Sie hatte volle, sinnliche Lippen, tiefgrüne Augen und glänzendes rotblondes Haar. Wie Isabel trug sie es hochgesteckt, doch auf ganz andere Art und
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