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Das Halsband der Königin

Das Halsband der Königin

Titel: Das Halsband der Königin
Autoren: Alexandre Dumas
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wesentlich Neues ergaben, ergriff der Generalprokurator das Wort. Er sprach als Wortführer des Hofes im Namen der mißdeuteten und beleidigten königlichen Würde und plädierte für die Unverletzlichkeit der Majestät.
    Er schlug alle Behauptungen nieder, daß die Königin in dieser Halsbandaffäre auch nur den mindesten Fehler begangen habe.
    Die Hauptschuld fi el nach seiner Darstellung auf den Kardinal.
    Er beantragte die Verurteilung des Réteaux de Villette zu den Galeeren, die Verurteilung der Jeanne de La Motte zu Brand-markung, Auspeitschung und lebenslänglichem Kerker, die Ortsverweisung Olivas und Freispruch für Cagliostro. Dem Kardinal solle aufgegeben werden, seine beleidigende Vermessenheit gegen die Königliche Majestät einzubekennen, und darauf solle er vom Hof verbannt und aller seiner Ämter und Würden verlu-stig erklärt werden.
    Dieser Antrag ging so weit, daß der Gerichtshof ihm nicht einmütig zustimmen wollte. Der Wille des Königs sprach sich darin so machtvoll aus, daß er zu dieser Zeit nicht mehr unwider-sprochen blieb. Hätte der gleiche Prozeß ein Vierteljahrhundert früher stattgefunden, wären die Richter unzweifelhaft über die Forderungen des Generalprokurators noch hinausgegangen, um ihren Eifer und Respekt für das damals noch unantastbare Prinzip des Throns zu bekunden. Jetzt aber war nur eine Minderheit der Räte für die Anschauungen des Generalprokurators zu gewinnen.
    Man schritt zum letzten Verhör, einer fast zwecklosen Formali-tät, wenn man bedenkt, daß von den Angeklagten nicht zu hoffen stand, daß sie nach so langem, erbittertem Kampf ihre Taktik im letzten Augenblick ändern würden.
    Wie üblich, sollten sie vor den Richtern auf jenem Holzschemel Platz nehmen, der durch die Berührung mit den vielen Verbre-chern, die von hier aus zum Schafott geschritten waren, bereits eine Schändung bedeutete. Überdies war der Sitz so niedrig, daß man ihn nur als demütigend und entehrend für den Angeklagten empfi nden konnte.
    Diesen Schemel besetzte als erster weinend und jammernd Réteaux de Villette, der seine Schuld bekannte und bereute. Aber für ihn interessierte sich niemand weiter. Er wurde schnell in seine Zelle zurückgeführt.
    Darauf erschien Madame de La Motte in schlichter Gewandung, das Gesicht von einem weißen Schleier umhüllt.
    Die Bewegung, die bei ihrem Auftreten durch die Menge lief, beunruhigte sie. Als der Gerichtsschreiber sie zu dem kleinen Schemel führte, der dem Block auf einem Schafott nicht un-
    ähnlich sah, erbleichte sie und blickte zornsprühend um sich, als ob sie die Richter einschüchtern wollte, die es wagten, ihr, einer Valois, ihr, die das Schicksal der Königin von Frankreich in ihren Händen gehalten, eine solche Schmach zuzumuten. Doch begegnete sie ringsum nur entschlossenem Willen und erbarmungsloser Neugier. So bemeisterte sie ihre Empörung und setzte sich.
    Auch bei diesem Verhör formulierte sie alle ihre Antworten so, daß die Feinde der Königin aus ihrem Wortlaut Nutzen ziehen konnten. Sie vermied präzise Angaben, soweit sie nicht ihre Unschuld bekräftigen konnten, und nötigte den Präsidenten schließ-
    lich zu einer Frage nach jenen Briefen, die nach ihren wiederholten Angaben die Königin und der Kardinal gewechselt hätten.
    Von ihrer Antwort erhoffte sie sich die letzte rettende Wirkung, indem sie das Interesse von ihrer Person noch einmal auf die beiden hohen Persönlichkeiten ablenkte.
    Sie beteuerte zunächst, daß sie die Königin nicht bloßzustellen gesonnen sei und daß nur der Kardinal diese Frage vollgültig zu beantworten vermöchte.
    »Fordern Sie ihn doch auf«, sagte sie, »diese Briefe oder wenigstens die Abschriften vorzuweisen, dann wird Ihre Neugierde befriedigt sein. Ich für mein Teil will mich nicht weiter darüber äu-
    ßern, doch fi nde ich die einen zu frei und zu vertraulich von einer Fürstin an einen Untertan, die anderen zu wenig ehrerbietig von einem Untertan an seine Königin.«
    Das eisige Schweigen aber, mit dem dieser letzte Angriff aufgenommen wurde, bewies Jeanne, daß sie an eine undurchdringli-che Mauer anrannte. So schwer das Königtum und der Hochadel durch diesen Prozeß beschädigt worden waren, zeigte sich die Obrigkeit doch nicht gewillt, weiteren Einbrüchen offi ziell die Tore zu öffnen. Jeanne verbuchte ihren Fehlschlag, wiegte sich aber, als sie den Schemel verließ, noch in der süßen Hoffnung, daß nach ihr ein Rohan den schmachvollen Sitz einnehmen
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