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Das Halsband der Königin

Das Halsband der Königin

Titel: Das Halsband der Königin
Autoren: Alexandre Dumas
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geschärft.
    »Weber«, redete die größere Dame den Kutscher an, indem sie ihn auf die Schulter tippte, »wie lange brauchen Sie, das Kabriolett an den Ort zu bringen, den ich Ihnen nannte?«
    »Madame nimmt das Kabriolett?« fragte der Kutscher mit un-verkennbarem deutschem Akzent.
    »Ja, ich möchte durch die Innenstadt zurück, um die Feuer in den Höfen zu sehen. Und in den Straßen wäre man mit dem Schlitten übel dran. Zudem ist mir ein wenig kalt geworden, Ihnen nicht auch, Kleine?« fragte sie ihre Begleiterin, was diese bejahte.
    »Nun, Madame, eine halbe Stunde werde ich wohl brauchen«, sagte Weber.
    »Gut, um Viertel vor sieben stehen Sie bereit, Weber«, entschied die Dame, sprang leichtfüßig aus dem Schlitten und reichte ihrer Freundin die Hand. Als beide den Boulevard überquer-ten, knirschten ihre feinen Absätze im festen Schnee, dann verloren sie sich in einer dunklen Straße, während der Kutscher hörbar auf deutsch jammerte: »So ein Leichtsinn, mein Gott, so ein Leichtsinn!«
    Ein Interieur
    Trauen wir dem Gedächtnis des Lesers zu sehr, wenn wir hoffen, er werde sich noch der Rue Saint-Claude erinnern? Jener ein-samen, wenig reinlichen, wenig bebauten, aber ehrbaren Straße im Marais-Viertel, wo der große Physiker Joseph Balsamo mit seiner Lorenza und seinem Meister Althotas gewohnt hatte und wo noch so manche Person dieser Erzählung anzutreffen sein wird?
    Freilich, Balsamo war unterdes spurlos verschwunden. Sein Haus, das die kleine Straße einst durch seine hohen Fenster mit nahezu aristokratischem Lichterglanz erfüllt hatte, stand jetzt schwarz und verödet. Blickte ein Neugieriger durch das Schlüs-selloch im Torweg, sah er nur mehr ringsum brandgeschwärzte Mauern, und vielleicht strich, ihrer unumstrittenen Herrschaft sicher, eine fette Ratte gemächlich über den verwahrlosten In-nenhof.
    Doch überlassen wir vorerst dieses Gebäude seinem Verfall und wenden wir uns einem schmalen weißgetünchten Nachbarhaus zu, wo wir in der fünften Etage zu tun haben. Durch ein fi nsteres Stiegenhaus und zum Schluß sogar über eine schlichte, an die Mauer gelehnte Holzleiter gelangen wir in den obersten Stock.
    An der Tür hängt ein Rehfuß zum Läuten. Durch einen kahlen Vorraum gelangen wir in ein Zimmer, dessen Ausstattung unsere Aufmerksamkeit verdient.
    Steinfl iesen statt eines warmen Holzfußbodens, grob angepin-selte Türen, zerschlissene, ausgemergelte Polstermöbel. Indes lenken eine Kerze und eine Lampe auf dem Kaminbord unseren Blick auf zwei Porträts, die an den Wänden hängen. Das erste, das unter einem Barett ein längliches, fahles Gesicht mit mat-ten Augen und einem Spitzbart über einer Halskrause zeigt, erkennen wir leicht: es ist Heinrich III., König von Frankreich und Polen. Auf dem unteren Rand des abgeblätterten Goldrahmens steht zu lesen: Henri de Valois.
    Das zweite Bildnis, jüngst vergoldet und ebenso frisch wie das andere verstaubt, stellt eine junge Frau mit intelligenten, dunklen Augen, einer feinen, geraden Nase, energischen Bakkenknochen und einem Mund dar, der Gefühle klug zu beherrschen weiß. Ihr Haupt ziert ein Gebäude aus Haaren und Seidenbändern, das im Vergleich zu dem fl achen Barett des Königs wie eine Pyramide neben einem Maulwurfshügel erscheint. Unter diesem Porträt liest man in schwarzen Lettern: Jeanne de Valois.
    Zwischen Kerze und Lampe, möglichst weit den Fenstern, durch die der eisige Wind pfi ff, saß an einem schäbigen Eichen-tischchen eine junge Frau, mehr als schlicht gekleidet, den Kopf in der aufgestützten Linken, und kontrollierte die Adressen mehrerer versiegelter Briefe. Blicken wir sie genau an: diese Frau ist das Original des soeben beschriebenen Porträts.
    Jeanne de Valois, haben wir gelesen. Sie war also aus königli-chem Geschlecht? Jenem Geschlecht, das der große Henri Quatre vom Thron gefegt hatte? Wie aber war sie in dieses Elend geraten, während der übrige Hochadel des Landes am Hof zu Versailles das annehmlichste Wohlleben genoß?
    Offenbar war der jungen Frau dieser Widerspruch selbst un-erträglich, denn ihren gemurmelten Worten ließ sich entneh-men, daß all die Briefe, die sie in den feinen klammen Händen bewegte, hart gesagt, Bettelbriefe um Geld an verschiedene Persönlichkeiten des Versailler Hofes waren, daß sie seufzend im voraus summierte, wie wenig diese Bittgesuche ihr eintragen mochten, und daß sie von dem wenigen erhofften Geld noch ein Erkleckliches an Droschkenfahrten zu persönlichen
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