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Das Halsband der Königin

Das Halsband der Königin

Titel: Das Halsband der Königin
Autoren: Alexandre Dumas
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vergeblich waren, und erkrankte. Meine Mutter hielt mir täglich vor, ich sei eine un-nütze Esserin, und bald hatte sie mir unter Schlägen einen Satz eingebleut, mit dem sie mich auf die Straßen betteln schickte: Haben Sie Mitleid mit einer armen Waise, die in direkter Linie von Henri de Valois abstammt. Aber dieser Satz trug mir kaum etwas Gutes ein. Manche Leute erbarmten sich meiner, ja, aber andere wurden zornig oder drohten, mich anzuzeigen. Ich kannte jedoch keine größere Gefahr, als mit leeren Händen vor meine Mutter zu treten. Sie schlug mich dann bis aufs Blut. Als mein Vater wegen unserer Armut ins Hôtel-Dieu kam und dort starb, ging meine Mutter mit einem Soldaten, ihrem Liebhaber, auf und davon.«
    »Da waren Sie ganz verwaist.«
    »O nein, Madame, Waise war ich bei meiner Mutter. Jetzt nahm sich die öffentliche Mildtätigkeit meiner an. Eines Tages hatte ich das Glück, einer schönen jungen Dame zu begegnen, die an mir Gefallen fand. Sie brachte mich in einer Weißnäherei unter, und ich war dem Hunger entronnen.«
    »War diese Dame nicht Madame de Boulainvilliers?«
    »So ist es, Madame; nur starb sie leider zu früh, und ihrem Gatten verdanke ich das Unglück meiner Jugend, wie ich meiner Mutter meine unglückselige Kindheit verdanke. Als er die Quittung für die Wohltaten seiner Frau kassieren wollte und ich mich dem versagte, stieß er mich ins Elend zurück. Ich heiratete Herrn de La Motte, einen einfachen, aber tapferen Soldaten.
    Doch da ich getrennt von ihm leben muß, weil er in Bar-sur-Aube kaserniert ist, sehe ich mich abermals der Not preisgegeben. – Dies, meine Damen, ist meine Geschichte; ich habe sie verkürzt, denn das Unglück hat Seiten, die man glücklicheren Zuhörern besser erspart.«
    Langes Schweigen folgte Jeannes Bericht. Schließlich verlang-ten die Damen Dokumente zu sehen, die das Gesagte bestätigen konnten. Jeanne entnahm einer Geheimlade ein altes, mit dem Wappen der Familie Valois versehenes Portefeuille. Die Damen fanden die Papiere in der Ordnung, dann griff die Ältere – Jeanne mit scharfem Auge ließ sich keine ihrer Bewegungen entgehen –
    in eine Tasche und zog eine kleine Rolle von drei bis vier Zoll Länge hervor.
    »Die Wohlfahrtsstiftung autorisiert mich, Ihnen vorerst diese Kleinigkeit anzubieten«, sagte die Dame und legte die Rolle auf eine Kommode.
    Jeannes Blick streifte das Geschenk. Es sind Taler, dachte sie; mindestens fünfzig Taler, wenn nicht hundert. Aber für fünfzig ist die Rolle zu lang, für hundert zu kurz.
    Frau Clothilde leuchtete den Damen hinaus, nachdem sie kurzen Abschied genommen.
    »Wann dürfte ich mir die Ehre nehmen, Ihnen zu danken, meine Damen?« fragte Jeanne den Davoneilenden nach.
    »Man wird Ihnen Nachricht geben«, rief die Ältere.
    Jeanne hastete zu der Kommode. Dabei stieß ihr Fuß an einen Gegenstand. Augenblicks hob sie ihn auf und betrachtete ihn unter der Lampe. Es war ein fl aches goldenes Döschen, das Schokoladenpastillen enthielt. Aber das wache Auge der Finderin erkannte, daß da ein doppelter Boden war. Endlich entdeckte sie die Geheimfeder, und sichtbar wurde das Porträt einer Frau: strenge, fast männlich-majestätische Züge, eine hohe Frisur nach deutscher Art. Den Deckel der Dose zierte ein Monogramm, in dem ein M und ein T verschlungen waren und das ein Lorbeerkranz umrahmte. Die Ähnlichkeit der älteren Besucherin mit der abge-bildeten Frau war unverkennbar. Jeanne wollte den Damen nach-laufen, aber zu spät. Das Haustor fi el ins Schloß. Durch die Rue Saint-Claude enteilte ein Kabriolett.
    Jeanne verwahrte die Dose, dann öffnete sie, am ganzen Leibe bebend, den zweiten Gegenstand ihrer Neugier.
    »Fünfzig Doppellouisdor! Hundert Louisdor! Oh, so reiche Damen werde ich wiederzufi nden wissen!«
    Belus
    »Madame«, empfi ng Weber die Damen an dem Kabriolett, »ich hatte Scipio bestellt, weil er sanft und leicht zu lenken ist, aber Scipio hat sich gestern eine Sehne gezerrt, so blieb nur der schwierige Belus.«
    »Tut nichts, Weber«, sagte die Ältere, »ich habe eine feste Hand.
    Aufgesessen!«
    Damit bestiegen die Damen das Kabriolett, und Weber nahm den Rücktritt ein. Schnell wie der Blitz jagte Belus mit dem Wagen davon.
    »Nun, Andrée«, begann die Ältere, »was halten Sie von dieser Gräfi n de La Motte-Valois?«
    »Ich halte sie für arm und unglücklich.«
    »Doch wohlerzogen, nicht wahr?«
    »Offen gesagt, Madame, sie hat etwas in den Augen, was mir mißfällt, so etwas
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