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Das Halsband der Königin

Das Halsband der Königin

Titel: Das Halsband der Königin
Autoren: Alexandre Dumas
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übrigen auch.
    »Den Streich hat uns der König gespielt, ich bin sicher«, sagte die Ältere bitter, fast verächtlich.
    »Mein Gott, nach Mitternacht kommen die Patrouillen vorbei.
    Wenn man uns nun aufgreift, Madame?«
    Die eisige Kälte machte die Situation der Damen nicht angenehmer.
    In dem Augenblick näherte sich in einem weiten Pelzüberrock ein junger Mann, der sorglos eine Melodie vor sich hin pfi ff.
    »Mein Schwager!« rief die Ältere leise aus. »Er wird uns retten.«
    Der Graf d’Artois, erstaunt zunächst, in den ausgeschlossenen Frauen seine Schwägerin, die Königin Marie-Antoinette, und ihre engste Freundin, Mademoiselle Andrée de Taverney, zu erkennen, versuchte nun seinerseits, mit dem Schweizer zu gütlicher Einigung zu gelangen. Doch als auch seine Bemühungen an dem königlichen Befehl scheiterten, lud er die Damen ein, ihm in ein nahegelegenes kleines Haus zu folgen, das ihm gehörte.
    Die Königin runzelte die Stirn, denn sie wußte wohl, daß dies eines der luxuriös ausgestatteten kleinen Lusthäuser war, wie sie derzeit jeder vornehme Herr besaß, um seine jeweiligen Favoritinnen sich dort zu halten. Aber Not bricht Eisen. Auch versicherte sie der Graf, sie werde dort von keiner Menschenseele gesehen werden, da alle Dienstleistungen so diskret vollzogen würden, daß die Damen sein Angebot vertrauensvoll annehmen könnten.
    Unterwegs tauschten sich Schwägerin und Schwager über den vermutlichen Anlaß der königlichen Maßnahme aus. Der Graf d’Artois meinte, seine Gemahlin könnte diese Strenge gegen ihren leichtlebigen Ehemann erwirkt haben. Die Königin dagegen glaubte eher, ihr geschworener Feind, Monsieur de Provence, der zweite Bruder des Königs, habe dessen Eifersucht erregt, indem er ihm Madames heimlichen Ausfl ug nach Paris gemeldet hatte.
    Derweilen war das Haus erreicht. Die Frauen staunten nicht wenig, als in der Tat kein dienstbarer Geist sichtbar wurde und dennoch Türen sich öffneten, ein köstliches Nachtmahl bereitstand, das Schlafgemach gerichtet war, und all das mittels unterschiedlicher Knopfdrücke, Klingelzeichen und geheimer Mechanismen.
    »Jetzt begreife ich die eifersüchtige Unruhe Ihrer Gemahlin, Schwager«, sagte lächelnd die Königin, als der Graf mit guten Wünschen für die Nacht und der Versicherung sich beurlaubte, daß ihm noch drei weitere Häuser dieser Art zur Auswahl stünden.
    »Bei Tagesanbruch wird der Befehl aufgehoben sein, dann kehren Sie unbehelligt ins Schloß zurück«, riet er den Damen zum Abschied, »wenn Sie aus jenem Schrank dort sich einen der Mäntel wählen, der Sie vollkommen verkleiden wird.«
    Der Alkoven der Königin
    Am Morgen klopfte Ludwig XVI. in seinem veilchenblauen Schlafrock, ungepudert, ohne Perücke, so wie er aus dem Bett gestiegen war, an die Tür zum Vorzimmer der Königin.
    Die diensthabende Zofe öffnete.
    »Sire …!« stammelte sie erstaunt.
    »Die Königin!« knurrte Ludwig.
    »Ihre Majestät schläft, Sire.«
    »Treten Sie beiseite!«
    Die Frau gab nach. An der Tür zum Schlafzimmer traf der König auf Madame de Miséry, die oberste Kammerfrau der Majestät. Sie verneigte sich tief vor dem dicken Mann.
    »Sire«, sagte sie leise, »Ihre Majestät hat noch nicht gerufen.
    Es ist erst halb sieben. Die Königin pfl egt vor sieben Uhr nicht zu erwachen.«
    »Sind Sie sicher, daß die Königin schläft?« fragte er spöttisch.
    Damit griff er nach der Klinke. Der Schlafraum war dunkel, die Läden waren geschlossen, Vorhänge und Stores herabgelassen.
    Der König eilte zum Bett.
    »Ah, Madame de Miséry, was soll der Lärm?« murmelte schlaf-trunken die Königin.
    »Guten Morgen, Madame«, sagte der König mit sauersüßer Miene, während er forschende Blicke um sich warf.
    »Sie sind es, Sire? Was führt Sie zu so früher Stunde hierher? –
    Madame de Miséry, öffnen Sie die Fenster.«
    »Warum haben Sie gestern nicht empfangen, Madame?« fragte der König.
    »Wen? Monsieur de Provence?« fragte die Königin geistesgegenwärtig, dem Verdacht ihres Gatten vorgreifend.
    »Richtig. Er hatte sich angemeldet, Ihnen seine Aufwartung zu machen. Man entgegnete ihm, Sie wären abwesend.«
    »Madame de Miséry, hat man Herrn de Provence gestern gesagt, ich sei nicht im Schloß?«
    Madame de Miséry, die der Königin ein Tablett mit Briefen ans Bett brachte, wobei ihr Finger auf einem Schreiben lag, dessen Handschrift Marie-Antoinette sofort erkannte, gab zur Antwort:
    »Sire, man hat Monseigneur lediglich gesagt,
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