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Das Gurren der Tauben (German Edition)

Das Gurren der Tauben (German Edition)

Titel: Das Gurren der Tauben (German Edition)
Autoren: A. Schneider
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wurden
immer m ä chtiger. Es war
nur eine Frage der Zeit, dass etwas passierte.
    Einen
Montagabend sa ß ich mit Andreas
in meiner Zelle. Wir lauschten der Reportage ü ber die Leipziger Montagsdemo. Pl ö tzlich wurden
die Sprechch ö re lauter,
obwohl keiner am Knopf des Lautsprechers gedreht hatte. Wir blickten uns ü berrascht an.
Andreas stand auf und ö ffnete die T ü r. Jetzt waren die Sprechch ö re so laut wie in einem Fu ß ballstadion.
    “ Da muss eine
Demo vor dem Gef ä ngnis sein ” , sagte er.
    Wir st ü rmten ans
Fenster. Nat ü rlich konnten
wir durch die Milchglasscheiben nichts sehen, doch wir h ö rten die
Sprechch ö re um so
deutlicher. Sie verlangten die Freilassung aller politischen Gefangenen und die
Verhaftung von Partei- und Stasimitgliedern. Eine Welle der Sympathie schwappte
von den Massen da drau ß en zu uns hin ü ber. In mir reifte die Ü berzeugung, dass meine Tage in Bautzen gez ä hlt waren.
    Am 10. November
erfuhren wir von der Grenz ö ffnung in der Nacht zuvor. Ich war ü bergl ü cklich und fragte mich, wann der Aufruhr endlich die Gef ä ngnisse
erreichen w ü rde. Doch alles
blieb ruhig. War das die Ruhe vor dem Sturm? Oder ging schon etwas vor sich und
wir hatten es wegen unserer Isolation nicht mitbekommen?
    Unmittelbar vor
dem 40. Jahrestag der DDR-Gr ü ndung wurde eine Amnestie verk ü ndet. Sie galt f ü r Menschen, die wegen versuchter Republikflucht einsa ß en. Das brachte
die anderen Gefangenen auf die Palme. Es erschienen Berichte von ersten Unruhen
in Brandenburg, Bautzen I und anderen Strafvollz ü gen. Die Gefangenen forderten die Ü berpr ü fung aller
Urteile.
    Viele Gefangene
h ö rten auf zu
arbeiten und gingen in den Hungerstreik um ihren Forderungen Nachdruck zu
verleihen. So froh ich war diese Nachrichten ü ber andere Gef ä ngnisse zu h ö ren, so entt ä uscht war ich, dass sich in Bautzen II nichts tat.
    Anfang Dezember
hatte das Warten dann ein Ende. Als Andreas und Mario eines Tages die Kisten
mit den fertigen Relais rausstellen wollten, sagten die W ä rter, dass es
sinnlos sei, weil die Kommandos streiken w ü rden.
    Ich sprang vor
Freude in die Luft, als ich die Unterhaltung von meiner Zelle aus h ö rte. Endlich!
Ich h ö rte auch sofort
auf zu arbeiten. Andreas und Mario ü berdachten die Situation und schlossen sich mir an.
    Am n ä chsten Morgen h ö rten wir eine
ungewohnte Stimme ü ber den Lautsprecher: “ Achtung! Achtung! Hier spricht der Gefangenenrat ... ” Die Stimme
klang unsicher. Es war herauszuh ö ren, dass der Sprecher keine Erfahrung darin hatte, in
ein Mikrofon zu sprechen. “ Bitte bleibt ruhig und erhaltet die Disziplin aufrecht. Unser erstes Ziel
ist die Ö ffnung der
Isolationsbereiche. Die Mitglieder des Gefangenenrats stehen dar ü ber in
Verhandlungen mit der Anstaltsleitung. Wir haben eine Sicherheitspartnerschaft
abgeschlossen um eine Eskalation der Lage zu vermeiden. Wir halten euch ü ber den Stand
der Verhandlung st ü ndlich auf dem Laufenden." Der Sprecher schwieg. Es waren einige
Stimmen im Hintergrund zu h ö ren, ein Pfeifen des Mikrofons, dann war Stille.
    Diese Ansage
befeuerte unsere Hoffnungen. Andreas schwor spontan seiner kommunistischen Ü berzeugung ab.
Mario sprang ebenfalls auf den fahrenden Zug auf. Wir waren uns dar ü ber einig, jeden
Schritt des Gefangenenrates kompromisslos zu unterst ü tzen.
    Ü ber die
Lautsprecher kamen st ü ndlich Meldungen. Der Gefangenenrat informierte, dass er einen
10-Punkte-Plan ausgearbeitet hatte, der durch Verhandlungen mit der
Anstaltsleitung in Kraft gesetzt werden sollte. Ein Punkt war die Durchf ü hrung einer
Pressekonferenz.
    Bis zum n ä chsten Vormittag ä nderte sich
nichts. Unser Bereich blieb abgeschlossen. Doch am Nachmittag passierte etwas.
Die W ä rter schlossen
zwei Mitglieder des Gefangenenrates zu uns durch und gaben uns eine Stunde Zeit
um mit ihnen zu reden. Die beiden informierten uns dar ü ber, dass sich die
Anstaltsleitung wegen meiner Person sperrte, den Bereich zu ö ffnen. Es w ü rde jedoch weiter
verhandelt.
    Wir erfuhren,
dass der Gefangenenrat die Suspendierung von H ä hnchen, Rotb ä ckchen und einigen anderen W ä rtern erwirkt
hatte, da deren weitere Pr ä senz nur Ö l ins Feuer
gegossen h ä tte.
    Es war eine gro ß e Sache f ü r mich nach
Jahren der Isolation wieder andere Gesichter zu sehen. Die beiden ä u ß erten keine
Zweifel daran, dass der gr öß te Teil der Gefangenen Weihnachten bereits in Freiheit feiern w ü
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