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Das Gurren der Tauben (German Edition)

Das Gurren der Tauben (German Edition)

Titel: Das Gurren der Tauben (German Edition)
Autoren: A. Schneider
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rde.
    Pl ö tzlich gab es
einen Auflauf im Flur vor unserem Bereich. Wir h ö rten ein Gewirr von Stimmen, dann wurde
aufgeschlossen. Ein Blitzlichtgewitter ging ü ber uns hernieder. Ich sah Trixi, Bobby, den
Anstaltsleiter und ein Dutzend M ä nner in zivil.
    “ In diesem
Bereich sind nur einfache Kriminelle untergebracht ” , h ö rte ich Trixi
sagen.
    Als ich sah,
dass er die T ü r wieder
zuschlagen wollte, st ü rmte ich nach vorn ans Gitter: “ Mein Name ist Andre Baganz. Ich habe 1981 versucht, in
den Westen zu fl ü chten, wurde aber verhaftet. Dann bin ich mit drei anderen aus der U-Haft
in Frankfurt (Oder) ausgebrochen um es erneut zu versuchen. Das ging schief.
Ich wurde zu Lebensl ä nglich verurteilt und hierher nach Bautzen gebracht. Die ersten f ü nf Jahre sa ß ich in
Einzelhaft. ”
    Trixi wandte
sich den Journalisten zu und deutete mit einer Geste an, dass ich nicht alle
Tassen im Schrank h ä tte. Er wollte die T ü r schlie ß en, doch ein
Journalist stoppte ihn: “ Sagten Sie nicht, dass es keine Einzelhaft gibt? ”
    Trixi und der
Anstaltsleiter warfen sich verunsicherte Blicke zu.
    “ Die l ü gen wie gedruckt! ” , sagte ich. “ Ich kann ihnen
die Zelle zeigen ... Wollen Sie sie sehen? ”
    “ Und ob ich das
will? ” , sagte der
Mann.
    Die Journalisten
bestanden darauf, dass ich ihnen die Zelle zeige und Trixi schloss widerwillig
das Gitter auf.
    Ich f ü hrte den ganzen
Trupp runter in den ersten Stock zu meiner alten Zelle I/32. Ich demonstrierte,
wie ich meine H ä nde durch die Gitter ö ffnung stecken musste; wie ich f ü nf Jahre lang dreieinhalb Schritte in der kleinen Zelle
hin und her ging. Es war ein Triumph sondergleichen. Trixi und der
Anstaltsleiter stotterten nur noch ...
    Am n ä chsten Tag fand
mein regul ä rer Besuch
statt. Ein Offizier mit dem Spitznamen Kanone holte mich ab. Bevor wir gingen,
nahm er Andreas zur Seite und sprach mit ihm.
    Kanone, ein schm ä chtiges Kerlchen
mit Nickelbrille, hatte keinen anderen W ä rter mitgebracht. Er legte mir auch keine Handschellen
an. Ich war nicht ü berrascht, denn das passte zur momentanen Lage.
    Als wir im
Besucherzimmer ankamen, verfiel Kanone in einen Plauderton. Irgendwann wurde
sein Gesichtsausdruck ernst und er senkte die Stimme: “ Die vom
Gefangenenrat geforderte Pressekonferenz beginnt in einigen Minuten. ” Er schaute in
Richtung T ü r, wie um
sicherzugehen, dass wir nicht belauscht wurden und fuhr fort: “ Sie k ö nnen sich
wahrscheinlich denken, dass es bestimmten Leute zu Pass kommt, dass sich die
Pressekonferenz mit Ihrem Besuch ü berschneidet." Er l ä chelte.
    Ich l ä chelte zur ü ck.
    “ Ich schlage vor,
dass wir den Besuch auf 20 Minuten verk ü rzen. Dann bringe ich Sie zur Pressekonferenz. Ich habe
ihrem Brigadier gesagt, dass er Ihnen einen Platz freihalten soll. ” Kanone blickte
mich an, als ob er darauf wartete, dass ich sage, was er f ü r ein toller
Kerl ist.
    Ich nickte und
fragte mich, ob er wirklich dachte, dass f ü nf Minuten Freundlichkeit acht Jahre Psychoterror und
Erniedrigung aufwiegen konnten. Sicher, ich hatte nie pers ö nlich mit ihm zu
tun gehabt. Doch nur, weil er f ü r einen anderen Bereich zust ä ndig war.
    Die T ü r ging auf und
meine Mutter trat ein. Ich umarmte und k ü sste sie. Es war das erste Mal seit ü ber acht Jahren,
dass ich sie ber ü hrte. Es war ein bewegender Moment. Meine Mutter weinte. Ich musste
ebenfalls gegen die Tr ä nen ank ä mpfen.
    Wir setzten uns
und ich wollte meiner Mutter die Situation erkl ä ren, doch Kanone fiel mir ins Wort: “ Ihr Sohn und ich
sind ü bereingekommen,
den Besuch zu verk ü rzen."
    Meine Mutter
schaute mich fragend an.
    “ Und zwar aus
folgendem Grund ” , fuhr Kanone fort. “ Es gibt Leute, die verhindern wollen, dass Ihr Sohn an einer gerade
stattfindenden Pressekonferenz teilnimmt. Aber ich will, dass er hingeht. Das
ist heute sowieso Ihr letzter Besuch hier. Die meisten Gefangenen gehen bis
Weihnachten nach Hause."
    Nach 20 Minuten
verabschiedete ich mich von meiner Mutter und Kanone brachte mich zum Kinosaal,
wo die Pressekonferenz abgehalten wurde. Bereits im Treppenhaus h ö rte ich laute
Stimmen. Als wir die Station betraten, sah ich die ersten Gefangenen. Sie
standen auf dem Flur und lauschten der temperamentvollen Diskussion.
    Kanone bahnte
uns den Weg durch die Menge. Es war komisch f ü r mich, so viele Menschen auf einen Haufen zu sehen.
Nat ü rlich passierte
das, was mir die letzten acht Jahre
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