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Das Gurren der Tauben (German Edition)

Das Gurren der Tauben (German Edition)

Titel: Das Gurren der Tauben (German Edition)
Autoren: A. Schneider
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konnte ich ihn nicht wirklich hassen,
obwohl er genauso schuldig war, wie Trixi.
    Jedenfalls
sollte er erkl ä ren, wie ich in
Einzelhaft sein konnte, wenn es so etwas gar nicht gab. Seine Antwort war ein
einziges Gestammer, genau wie am Tag zuvor, als ich den Journalisten meine alte
Zelle zeigte. Da kamen sie wieder, die Spitzfindigkeiten: “ Das war keine
Einzelhaft sondern Einzelunterbringung ... ”
    Nachdem mein
Fall gr ü ndlich
diskutiert worden war, h ö rte ich mir die Geschichten der anderen Gefangenen an:
    Ein Mann aus
Westberlin wird bei dem Versuch verhaftet, seine ostdeutsche Freundin im
Kofferraum ü ber die Grenze
zu schmuggeln. Er bekommt neun Jahre f ü r Menschenhandel und Spionage.
    Zwei M ä nner planen ein
Flugzeug zu entf ü hren um damit in den Westen zu gelangen. Einer bekommt im letzten Moment
kalte F üß e. Als der
andere am Treffpunkt erscheint, wartet bereits die Polizei auf ihn. Es kommt
zum Schusswechsel. Der junge Mann bekommt Lebensl ä nglich wegen Terror im besonders schweren Fall.
    Ein
Kreisparteisekret ä r trifft seine westdeutschen Verwandten in Ungarn. Nach seiner R ü ckkehr in die
DDR wird er verhaftet und zu 15 Jahren wegen Verrats und illegaler
Kontaktaufnahme verurteilt ...
    Diese Menschen
wollten nur in Freiheit leben, wurden von der DDR-Justiz jedoch zu Kriminellen
und Terroristen degradiert.
    In Bautzen hatte
es mehrere verd ä chtige Todesf ä lle gegeben. All diese Leute waren wegen Spionage zu langj ä hrigen
Haftstrafen verurteilt. Der Gefangenenrat forderte eine Untersuchung dieser “ Selbstmorde ” .
    Angebliche
Kriegsverbrecher ergriffen das Wort. Sie waren jahrelang von der Stasi erpresst
und nach Beendigung ihres Arbeitslebens ins Gef ä ngnis geworfen worden. – Eine effektive Methode Rentengelder
einzusparen. Manche Leute verloren die Fassung und begannen zu weinen, als sie
dar ü ber sprachen,
was ihnen widerfahren war.
    Am Ende der
Pressekonferenz sprachen die Vertreter der Kirche und der anderen
Organisationen. Sie baten uns um Geduld und versicherten uns ihrer maximalen
Unterst ü tzung.
    Der
Anstaltsleiter ergriff noch einmal das Wort und informierte uns, dass ab sofort
alle Sonderma ß nahmen
ausgesetzt und die Verwahrbereiche bis auf weiteres ge ö ffnet bleiben w ü rden. Er tat so,
als w ä re es seine
Entscheidung, doch jeder wusste, dass die W ä rter einen guten Teil ihrer Macht verloren hatten und
deshalb kompromissbereit sein mussten.
    Wir Gefangene sa ß en bis in den
Abend zusammen und arbeiteten ein Schreiben an die Regierung aus. Wir forderten
die unverz ü gliche Freilassung
aller politischen Gefangenen und die Revision ihrer Urteile. Um dem Nachdruck
zu verleihen, beschlossen wir in den Hungerstreik zu treten. Das Schreiben
wurde per Fax nach Berlin geschickt. Nachdem die Sicherheitspartnerschaft
zwischen Gefangenen und W ä rtern nochmals bekr ä ftigt wurde, l ö ste sich die Versammlung auf. Inzwischen war es Mitternacht.
    Jahrelang war
ich allein gewesen bzw. hatte nur zwei Personen um mich gehabt und jetzt
wollten so viele Leute mit mir reden. All diese neuen Eindr ü cke waren zu
viel f ü r mich. Ich
brauchte Ruhe und schlenderte durchs Treppenhaus. Obwohl ich acht Jahre hinter
diesen Mauern verbracht hatte, konnte ich mich nicht orientieren. Da waren zu
viele Bereiche, Flure, Gitter und Zellen.
    Von einer
seltsamen Melancholie ergriffen, fragte ich mich, wie viel Leid diese dicken,
grauen W ä nde im Laufe der
Zeit wohl gesehen hatten. Im selben Moment war ich gl ü cklich und
stolz, denn hier ging etwas vor sich, was einmal in 100 Jahren passiert.
Geschichte wurde geschrieben und ich war mittendrin. Ein politisches System
brach zusammen und jeder konnte sehen, wie verrottet dessen Kern war.
    Ich versp ü rte nicht die
geringste M ü digkeit. Doch
das ging nicht nur mir so. In vielen Zellen sa ß en Gr ü ppchen beieinander und diskutierten die Situation. Nicht
einer zweifelte daran, dass die ersten Gefangenen schon in den n ä chsten Tagen
heimgehen w ü rden.
    Und so geschah
es. Innerhalb der n ä chsten 14 Tage, gaben sich Journalisten und Reporter die Klinke in die Hand
und die meisten Gefangenen wurden entlassen.

 
    Dieser Report
sollte jetzt eigentlich zu Ende sein. Doch eine kleine Gruppe von Gefangenen blieb ü brig und ich war
einer von ihnen. Etwa ein Dutzend hatte Lebensl ä nglich darunter ein “ Terrorist ” wie ich und eine Handvoll Kriegsverbrecher. Der Rest
waren M ö rder oder
Vergewaltiger mit
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