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Das gruene Gewissen

Das gruene Gewissen

Titel: Das gruene Gewissen
Autoren: Andreas Moeller
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nahe zu sein.“ 137 Alles andere wäre gegen unsere eigene Natur.
Was wir tun können
    Was also bleibt ganz am Ende? Wäre die Welt eine bessere, wenn wir uns keinen Vorstellungen des Guten in der Natur hingeben würden und die kalte Vernunft jeden Glauben an Natürlichkeit von vornherein eliminieren würde?
    Der Wunsch nach einem nachhaltigen Leben legt es nahe, Handlungen zu privatisieren, im Kleinen etwas zu bewirken, bewusst nicht nach großen gesellschaftlichen Hebeln zu suchen. Dies zu belächeln wäre falsch, denn die Komplexität der Welt und die Verschränkung der Prozesse können kein Pauschalargument gegen die Versuche im Kleinen sein, nach bestimmten Wertevorstellungen zu leben. Was wäre die Alternative? Es wäre zynisch, beim Aufzeigen von Unstimmigkeiten stehen zu bleiben. Und es wäre hoffnungslos, einem „Weiter so“ nur deshalb zuzustimmen, weil die Bedingungen für einen Wandel globaler Strukturen wenig Aussicht auf Erfolg bieten.
    Wir müssen die Widersprüche unseres Lebensstils deshalb wieder umso bewusster wahrnehmen und den Grad unserer Konsequenzen überdenken: Wollen wir nur unser Gewissen entlasten, im Stillen aber so weiterleben? Oder wollen wir die gesamte Wegstrecke zu einem echten „Weniger ist mehr“ gehen, vom romantischen Denken quasi zum praktischen Handeln, und unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob dies im Sinne der Natur ist?
    Dann darf uns dieser Weg nicht täglich an die Theken von „Europas größtem Biomarkt“ und andernorts führen, die Orte des Besserfühlens durch dasselbe Quantum an Konsum sind, den wir überwinden wollen. Wir müssen radikal verzichten lernen, wie es im Text meines Großvaters über das Essen von Grütze heißt. Uns auf das Wenige beschränken, Preise in Kauf nehmen, die einen gerechteren, würdevolleren Umgang mit Tieren vermuten lassen, unseren ständig größer werdenden Anspruch auf Mobilität und Digitalität infrage stellen, eine echte Haltung gegenüber dem Abbau von Rohstoffen entwickeln, anstatt diese wohlfeil an Produzenten zu delegieren, die wir durch unser Kaufverhalten im Grunde mandatieren.
    In letzter Konsequenz müssen wir lernen, ohne diese Technik als Luxusgut zurechtzukommen: die bildgebenden Verfahren, mit denen wir Tumore erkennen, Brutkästen für Frühchen, moderne Dialyse- und Apherese-Geräte, Pharmaka für die Palliativmedizin der alternden Gesellschaft, aber auch effiziente Kühlschränke, immer leistungsfähigere Handys, Touch-Applikationen, Datenbanken, Internetverbindungen, Klimasatelliten, Speichertechnologien, grüne Energien und vieles andere. Sie alle sind Insignien des von uns so gewollten Wohlstands, wie er sich seit dem „Dederonstoff“ meines Opas entwickelt hat, nicht eines Lebens des Verzichts oder der reflexionslosen Funktionalität, wie es der Natur zu eigen ist.
    Es gibt gute Gründe für die Vermutung, dass die Mehrheit der Menschen diesem Pfad nicht folgen wird. Wenn man die Ausdifferenzierung unserer Bedürfnisse als Entwicklungsprozess begreift, der neben dem Pfad des Wachstums auch den des Verzichts enthält, muss man dies auch nicht.
    Gerade deshalb ist das Selbstverständlichste wieder wichtig und ganz und gar zeitgemäß: sich die grundsätzliche Frage zu stellen, was Natur eigentlich ist und was sie für uns ist. Und ob wir nicht öfter von Kultur und Humanität sprechen sollten.
… und wo die Grenzen unseres Tuns liegen
    Ein historisches Fazit dieses Buches lautet, dass die heutige Natur-Debatte nicht mehr von weltanschaulichen oder gar christlichen Ansprüchen getragen ist, wie sie der schwäbische Pietist Erhard Eppler verkörperte (von Herbert Wehner als „Pietkong“ bezeichnet) und der Katholik Winfried Kretschmann gegenwärtig verkörpert, die bekanntlich unterschiedlichen Parteien angehören. Wer früher für die Natur eintrat, stellte sich bewusst neben die Gesellschaft. Er wurde belächelt, weil er das Lebensgefühl zwischen atomarer Kriegsgefahr und Umweltzerstörung thematisierte. Und weil er den Konsumbürger und dessen Gedankenlosigkeit kritisierte. Heute macht sich niemand mehr Feinde, der zur „LPG“ geht oder seinen Energieversorger wechselt. Im Gegenteil, er zeigt, dass er nicht abseits stehen mag, sich mit bestimmten Werten solidarisiert, die längst Common Sense sind.
    Was wir Natur nennen, ist dabei oftmals Attitüde. Sie geht einher mit dem in Deutschland besonders stark verankerten Glauben daran, dass das Kommende immer das Vernünftige ist, weil wir aus
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