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Das gruene Gewissen

Das gruene Gewissen

Titel: Das gruene Gewissen
Autoren: Andreas Moeller
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stehen, während im Hintergrund der davonfahrende Wagen zu hören war. Ohne eine Regung, und doch mit unsagbarer Trauer stand die Frau vor ihrem Haustier. Über ihr türmten sich Wolken auf, und der Wind bewegte die leere Wäscheleine.
    Auf meiner Fahrt am nächsten Morgen, die einem ziellosen Treiben glich, sah ich ähnliche Katen zuhauf. Der Fahrbahnbelag aus Teer saugte sich an meinen Reifen fest. Vielleicht war es der klebrige Nektar blühender Linden. Durchs Dach konnte ich dunkle Wolken erkennen, die sich um die Sonne gewunden hatten und wie ein Hornissennest aussahen. Ab und an rauschte ein Hinweisschild vorbei, das im Schatten des Waldes wieder verschwand. Ich war schon einmal hier gewesen: auf einer Klassenfahrt nach Sachsenhausen und zum Konzentrationslager Ravensbrück, das nördlich von Fürstenberg liegt. Ich stieg aus, sah mich um und ging ein Stück querfeldein.

Plädoyer für mehr Natur-Gelassenheit: Was aus diesem Buch folgt
    „Ein Mensch liegt im Bett und schläft, in weißem Leinen, auf weicher Matratze, in furniertem Bettgestell mit nachgiebigen Stahlfedern. Er erwacht, steht auf und geht ins Badezimmer, lässt Wasser in das Waschbecken laufen, wäscht sich mit wohlriechender Seife, rasiert und frisiert sich, putzt die Zähne und trocknet sich mit weichem Frottiertuch ab.
    Sauber und erfrischt betritt er wieder das Schlafzimmer und zieht sich an. Unterwäsche, hergestellt aus Baumwolle, die unter der heißen Sonne der Sowjetunion oder Ägyptens gewachsen ist, ein Hemd, dessen Dederonstoff einen großen Entwicklungsprozess der Chemie durchlaufen hat, von dem er nichts weiß, Strümpfe aus der Wolle von Schafen, die er nicht gehütet oder geschoren hat, und seinen Anzug, der aus knitterfreiem Woll-Dederon-Gemisch hergestellt ist.
    Selbstbewusst betritt er das Wohnzimmer und setzt sich an den Frühstückstisch, sauber gedeckt mit einem Tischtuch und Serviette, Porzellan und Essbesteck, trinkt seinen Kaffee, der mit einem Schiff aus Brasilien nach Europa gebracht wurde, isst Brot, aus Getreide hergestellt, das er nicht gesät und nicht geerntet hat … nimmt Butter, aus Milch von Kühen, die hunderte Kilometer entfernt auf der Weide stehen … isst Marmelade, de ren Früchte er nicht gelesen, und kostet Wurst, aus dem Fleisch von Schweinen hergestellt, zu deren Ernährung er nicht beitrug. Nachdem er gesättigt ist, genießt er den Duft und das Aroma von Tabak aus einer Landschaft, die er nie gesehen, in der aber andere Menschen für ihn arbeiten.
    Wohl behütet und bemäntelt verlässt er seine Wohnung, geht über Straßen, die zugleich Dächer von unterirdischen Bauten sind, in denen Gasrohre liegen, die den Heizstoff Gas in die Wohnungen leiten, Kabel, die elektrischen Strom zu Beleuchtungszwecken liefern, Wasserrohre mit gereinigtem, sauberem Wasser und solche, durch die Abwässer aus Haushalt und Industrie wieder abfließen können. Ein Labyrinth von unterirdisch verlegten Telefonkabeln sorgt für die fernmündliche Verbindung von Mensch zu Mensch, Untergrundbahnen schlucken ein Meer von Werktätigen und bringen sie in rasender Fahrt an ihre Arbeitsplätze – und über allen den unterirdischen Anlagen, gleichsam auf dem Dach dieser technischen Welt, pulsiert das eigentliche Leben mit seinem Verkehr, den Straßenbahnen und Autos, das Leben von Mensch und Tier.
    Acht Stunden hindurch sitzt der Mensch am Schreibtisch, steht an der Drehbank, transportiert Frachten, bearbeitet Wirtschaftspläne oder organisiert die Arbeit der anderen. Mittags setzt er sich an den Tisch mit einem gut bereiteten Essen, das andere für ihn gekocht haben, trinkt Bier, das andere brauten.
    Nach der Arbeitszeit geht er ins Theater, ins Kino, hört Musik, freut sich an diesen schönen Dingen, die aber andere für ihn machen. Einmal im Jahr fährt er in Urlaub, mit der Eisenbahn ins Gebirge, mit Schiffen über Meere, mit dem Flugzeug in ferne Länder, lässt sich bewirten, unterhalten. Ist der Mensch krank oder durch einen Unfall zu Schaden gekommen, steht ihm ein Stab von Ärzten und Pflegepersonal sowie Krankenhäuser mit einem Arsenal von Geräten und Medikamenten zur Verfügung.   –
    Was für uns heute selbstverständlich ist, war selbst unseren Großeltern oft noch unbekannt oder unerschwinglich. Für die Ernährung sei nur ein Beispiel Maßstab. Im Jahre 1851 bestand die menschliche Nahrung noch zu 85 Prozent aus Getreide, heute sind es nur noch 27 Prozent.
    Damals aßen selbst Schwerarbeiter morgens und abends
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