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Das gruene Gewissen

Das gruene Gewissen

Titel: Das gruene Gewissen
Autoren: Andreas Moeller
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unseren Verfehlungen in der Geschichte wie gelehrige Schüler gelernt haben – ohne jeden Skeptizismus, der sich noch einmal selbstironisch über die Schulter schaut. Und sie entsteht aus dem Glauben, dass grüne Handlungen immer gerechtfertigt sind, egal, was sie tatsächlich bringen und wie wenig wir über die Komplexität der Dinge zu sagen wissen. Genau dies war der Dreh, den die Romantik unheilvollerweise vollzog, indem sie die Natur für die eigenen Gefühle instrumentalisierte.
    Unter dem Strich verhält es sich daher wie mit der bekannten Pascal’schen Wette, die der Existenz Gottes gilt: Der Gewinn, den wir durch unseren Glauben an einen Wert oder eine Handlung zum Guten ziehen, und sei er auch noch so zweifelhaft, überwiegt am Ende den bewussten Verzicht darauf. Übertragen auf unser ökologisches Rechtsbewusstsein ist dies eine Frage, die aber nur individuell zu beantworten ist und nicht normativ. Entsprechend sollten wir unsere Maßstäbe wie oben geschildert überdenken, mit denen wir das vermeintlich Richtige zur Norm erheben, solange wir in unabänderlichen Widersprüchen gefangen sind.
    Die Balance zwischen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Weiterentwicklung der Gesellschaft ist lange das Maß der Dinge gewesen. Diese Komponenten einer zukunftsverantwortlichen Lebensweise sollten wieder gleichberechtigt in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Diskussion gerückt werden. Was wir brauchen, sind keine Natur-Label, die nur Ausdruck von Unsicherheit und der Abgabe von Verantwortung sind; sie führen ungewollt zu kollektiver Verantwortungslosigkeit, auch wenn die Fassade stimmt. Auch kein naives Zukunftsvertrauen, den unbedingten Glauben an die Lösbarkeit aller Phänomene. Was wir benötigen, auch wenn es fast anstößig klingen mag angesichts unserer großen Probleme, ist ein gewisses Maß an heiterer Gelassenheit im Umgang mit Natur und Technik und damit uns selbst. Denn was wäre, wenn alles ganz anders ist, sich die Natur unserem Messen und Erkennen am Ende wieder einmal entzöge?
    In der Antike wollte man der Natur keine Antworten abringen, während die weitaus älteren Stromkulturen an Euphrat, Tigris und Nil die Zeiten drohender Überschwemmungen kennen mussten. Man blickte vor allem deshalb in den Kosmos, um sich selbst zu verstehen und über die Natur das Göttliche im Weltgefüge zu verorten. Es ging um das Wissen des Wissens, nicht um die Natur in ihrem Aufbau oder Nutzwert für den Menschen. Der Blick nach oben lehrte Bescheidenheit, Demut, Besonnenheit und auch Gelassenheit, nicht aber Anmaßung hinsichtlich einer Ultima Ratio. 138 Würden wir dies der Klimaforschung oder den Umweltverbänden ungeachtet ihrer Verdienste hinsichtlich der Sensibilisierung für wichtige Problemlagen heute uneingeschränkt attestieren?
    Auch der wesentliche naturwissenschaftliche Durchbruch am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert bestand gerade darin, die Grenzen der Determinierbarkeit zu erkennen, mit der man die Natur bisher beschrieben hatte: das Moment des Zufalls, das am Ende die entscheidenden Durchbrüche bei der Beschreibung der Natur ermöglichte. Begriffe wie „Relativität“, „Unschärfe“, „Unsicherheit“ oder „Störung“ waren die Basis des Erkennens, nicht Modelle, Statistiken und sonstige Regime, die man etwa beim Klima aufgrund des Unbehagens an unsicherem Wissen über die Natur manifestiert – weil wir Unsicherheiten fürchten und lieber ein wissenschaftlich unrealistisches Zwei-Grad-Ziel verfolgen als gar keines. Geschichtlich betrachtet, dies erkannte man bereits angesichts der Lehren des 19. Jahrhunderts, befinden wir uns jedes Mal lediglich auf dem letzten Stand des Irrtums.
    Dass das globale Wachstum Grenzen hat und wir die Welt nicht beliebig expandieren können, ist spätestens seit den siebziger Jahren unstrittig. Man muss dafür nicht sentimental-ökologisch denken – es ist ein Systemproblem, das auf der Hand liegt. Was wir angesichts dieser Erkenntnis brauchen, sind deshalb keine Projektionen der Gefahr, sondern Zukunftsvertrauen und Pragmatismus. Gerade dieser ist zugegebenermaßen leicht dahinformuliert, zumal das Raffinierte an der Forderung nach Pragmatismus immer darin besteht, dass jeder glaubt, ihn zu haben, während die anderen ihren Katechismen anhängen. Aber ohne eine gewisse Leichtigkeit gibt es keine Bereitschaft zu Risiken, die die Basis von Innovationen sind. Und es gibt keine Möglichkeit, mit den von uns nur in seinen Wirkungen zu
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