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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel
Autoren: Claude Cueni
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die er vor Jahrzehnten im Palazzo der Genueser Bankiersfamilie Rezzonico gemietet hatte.
    »Was wollen Sie mir zeigen,Vater?«, fragte sein Sohn. John Law lächelte. Sein Sohn bemerkte das Feuer in seinen Augen. Es war so selten geworden. »Dann ist also wahr, dass Sie heimlich etwas beiseite geschafft haben?«
    »Nein«, antwortete John Law, »was du hier gleich sehen wirst, habe ich vor sehr langer Zeit erworben. Du warst noch nicht geboren. Das ist lange her«, lächelte John Law, als er die Tür zur Halle aufschloss. Überall an den Wänden standen Gemälden, aufgereiht wie Bücher in einem Bücherregal.
    »Es sind mittlerweile über vierhundertachtundachtzig, John«, sagte der alte Mann mit einem Anflug von Stolz. Doch als er den verwunderten Blick seines Sohnes sah, schien er fast ein wenig verlegen zu werden.
    »Die Leute behaupten, dass ein Gemälde nie an Wert gewinnt, Vater. Sie sagen, wenn du heute ein Bild von Leonardo kaufst, hat es morgen kaum an Wert gewonnen.«
    John Law blieb abrupt stehen. Es schmerzte ihn, dass sein Sohn diese Auffassung vertrat, dass er sich der Meinung der anderen Leute anschloss.
    »Wodurch haben sich die Leute, die diese Meinungen vertreten, denn ausgezeichnet?«
    Der junge John schwieg. Sein Vater kannte ihn gut genug, um zu wissen, was seinem Sohn durch den Kopf ging.
    »Nun gut«, fuhr John Law fort, »du magst denken, dass jene Leute in ihrem Leben zwar nichts bewegt haben, aber heute dennoch finanziell besser dastehen als ich.«
    »Das habe ich nicht gesagt,Vater.«
    »Ich möchte, dass du eines Tages all diese Gemälde nach Holland schaffen lässt. Ich bin mit deiner Mutter übereingekommen, dass Amsterdam der Ort sein wird, an dem ihr euch wiedersehen werdet.«
    »Und Sie.Vater?«
    »Ich werde einige Gemälde verkaufen. Mit dem Erlös kannst du hier die Miete weiter bezahlen und den Transport nach Amsterdam. Werte werden immer Bestand haben. Echte Werte. Ein Tizian, ein Raffael, einTintoretto, Veronese, Holbein, Michelangelo, Poussin oder Leonardo, das sind Werte, John. Es sind einmalige Zeugen unserer Geschichte. Wenn das Wunder, das ich in Paris vollbracht habe, länger angedauert hätte, die Leute würden heute Gemälde kaufen. Selbst die Küchenmagd würde sich Gemälde kaufen. Andere Nationen werder mein System übernehmen. Eines Tages wird die ganze Welt nur noch mit Geld aus Papier bezahlen. Und diese Menschen werden noch mehr Gemälde kaufen.«
    John junior verzog das Gesicht. Er teilte die Ansichten seines Vaters nicht. Er war skeptisch. Irgendwie klangen die Worte seines Vaters wie die Prophezeiung eines gescheiterten Alchemisten, der immer noch glaubte, aus Blei Gold herstellen zu können.
     
    Die Nacht des 29. August 1728 verbrachte John Law wie immer im Ridotto. Er bot neue Wetten an. Er bot zehntausend Doublonen für den Fall, dass es jemandem gelänge, sechsmal hintereinander unterschiedliche Zahlen zu würfeln. Ihm gegenüber saß ein Mann, der sich als Montesquieu zu erkennen gab. Er wollte nicht würfeln. Er wollte eine Partie Pharao.
    »Der berühmte Schriftsteller und Philosoph?«, fragte John Law mit einem Anflug von Spott. Er mochte den Franzosen nicht. Er war in seinem Leben oft dieser Sorte Mensch begegnet und hatte sie nie geschätzt. Diese Leute waren belesen, schlagfertig, hatten einen brillanten Verstand, und doch verfehlten ihre Analysen so häufig ihr Ziel, weil es ihren Schöpfern an einer guten Portion gesunden Menschenverstandes mangelte. Es waren die ewig Moralisierenden, die Wasser predigten und Wein tranken und sich in keiner Weise von jenen unterschieden, die sie wortgewaltig verurteilten. »Ich habe kürzlich Ihre >Persischen Briefe< gelesen«, fuhr John Law fort, »ich bin nicht erstaunt, dass sich das Buch gut verkauft. Moralisierende Bücher verkaufen sich immer gut. Wer mag einem solchen Autor nicht eifrig zustimmen?«
    Der Franzose schien überrascht von John Laws ablehnender Haltung: »Wieso leben Sie hier in derart ärmlichen Verhältnissen, Monsieur?«, fragte Montesquieu. »Ich lebe in den Verhältnissen, die mir meine finanzielle Situation erlaubt, Monsieur«, sagte John Law und teilte Montesquieu die Karten aus. Sie waren zu zweit. Es war schon spät am Morgen. Die meisten Gäste hatten das Ridotto bereits verlassen.
    »Sie müssen noch über gewisse Vermögenswerte verfügen«, insistierte Montesquieu. »Schließen Sie von sich auf andere, Monsieur?«
    »Nur ein Narr hätte es versäumt, während der prosperierenden
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