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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel
Autoren: Claude Cueni
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Jahre der Mississippi-Kompanie Gelder heimlich außer Landes zu schaffen«, widersprach Montesquieu.
    Er war der klassische Vertreter jener zornigen Moralisten, die den eigenen Ansprüchen nie genügen konnten. Sie suhlten sich in der Vorstellung, weise und berühmt zu sein, mimten den Menschenfreund, den Naturliebhaber, den Beschützer der Schwachen und hatten doch nicht das geringste Interesse an realen Menschen. Ihr Leben spielte sich im Geiste ab. Über den großen Moralisten und Philosophen Montesquieu erzählte man sich, dass er nicht einmal für die engsten Familienmitglieder Anteilnahme empfand und jahrelang reisen konnte, ohne seinen Angehörigen auch nur einen einzigen Brief zu schreiben. Montesquieu war der klassische Egoist, der Egozentriker, die verkrüppelte Seele, die derart von der eigenen Person eingenommen war, dass sie ihre menschlichen Verfehlungen nicht einmal erahnen konnte.
    »Monsieur Montesquieu, Sie haben mein System nie verstanden und hatten doch stets eine Meinung dazu. Sie hatten seinerzeit, ich glaube, es war im Jahr 1715, dem Regenten eine eigene Schrift übergeben zur Sanierung der Staatsfinanzen. >Denkschrift über die Staatsschulden< mag der Titel gewesen sein ...«
    Montesquieu lächelte und nickte erfreut. Seine freudige Reaktion galt jedoch nicht John Law's nach wie vor phänomenalem Gedächtnis, sondern dem Umstand, dass sein Werk so bedeutend gewesen sein musste, dass man sich seiner erinnerte.
    »Mag sein, dass Ihre Feindschaft noch aus jenen Tagen rührt, Monsieur. Ich bezweifle jedoch, dass Sie mit Ihrer Denkschrift mehr als ein Abendessen beim Regenten erreichen wollten. Ich hingegen, Monsieur, ich habe an mein System geglaubt. Wieso hätte ich also Vorsichtsmaßnahmen für ein eventuelles Scheitern ergreifen sollen? Vielleicht wird die Geschichte eines Tages lehren, dass ich sehr wohl dem von Montesquieu geforderten moralisch handelnden Menschen entsprach, aber nicht als solcher erkannt wurde, weil ausgerechnet Moralisten wie Montesquieu nicht an die Existenz solcher Menschen glaubten. Und schon gar nicht in der Gestalt eines Bankiers.«
    Montesquieu tätigte seinen Einsatz und verlangte eine weitere Karte. Er verlor. Er legte die Karten beiseite: »Monsieur Law, dann möchte ich Sie bitten, mir Ihr System zu erklären. Ich möchte nicht den Vorwurf auf mir sitzen lassen, ich hätte Ihr Handeln nur verurteilt, weil Sie dadurch vermögend geworden sind.«
    John Law legte ebenfalls seine Karten beiseite. Und dann erklärte John Law of Lauriston Montesquieu das Wesen des Geldes, das Wesen des Handels, das Wesen des Kredits. Wie in seinen besten Tagen sezierte er die wirtschaftlichen und monetären Probleme der Gegenwart und erklärte und begründete, wieso allein sein System den Nationen zu neuer Blüte verhelfen konnte.
    Während John Law redete und redete, formulierte Montesquieu im Kopf bereits seinen Bericht, den man von ihm in Paris erwartete: »Monsieur Law ist noch immer derselbe, mit geringen Mitteln, aber dennoch kühn spielend, im Geiste mit neuen Projekten befasst, den Kopf voller Formeln und Berechnungen. Er ist in der Tat mehr in seine Ideen verliebt als ins Geld. Und wenn auch sein Glück nur noch gering ist, so spielt er manchmal doch noch ein wahrlich großes Spiel.«
     
    John Law stand auf seinem Balkon und ließ den Blick über die Piazza San Marco schweifen, über die Kanäle und die Gondeln und die bunten Gestalten, die kurz vor der Fastenzeit die Lagunenstadt heimsuchten, um sich in ihren Masken und Kostümen dem närrischen Karnevalstreiben hinzugeben. Vermummte in langen Mänteln aus schwarzer Seide strömten aus den umliegenden Gassen auf die Piazza hinaus. Sie hatten schulterlange Kapuzen und weiße Gesichtsmasken an, andere trugen das rote Kostüm der venezianischen Handelsherren mit rabenschwarzer Maske oder das bunte Flickenkostüm mit der plattnasigen Beulenmaske. Jedes Kostüm hatte seine Geschichte, der französische Pierrot, der Pestdoktor im düsteren Gewand mit der charakteristisch langen Nase. Selbst an diesem bunten Karnevalstag des Jahres 1729 war anhand der zahlreichen neuen Masken und Figuren das Erstarken eines selbstbewussten Bürgertums erkennbar. Trotz der ausgelassenen Stimmung, die sich in festlichen Dekorationen und wollüstigen Bällen offenbarte, war nicht übersehbar, dass Monarchien und Geistlichkeit durch die Kraft eines wissbegierigen Bürgertums an Glanz verloren. Parlamente erdrückten die Monarchien, Wissen gab die
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