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Das Große Spiel

Das Große Spiel

Titel: Das Große Spiel
Autoren: Claude Cueni
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versucht. Er wurde mit mehreren Millionen Livre in Silber und Gold unweit von Paris gestellt und sitzt seither in der Bastille. Ich besuche ihn jeden Tag, bringe ihm Essen und stehe seiner Frau Rebecca bei. Ich kann es kaum erwarten, dich wieder in meine Arme zu schließen.«
    »Monsieur Law?«, fragte eine Stimme erneut. John Law blickte hoch. Er hatte alles um sich herum vergessen. Die Mitspieler am Pharao-Tisch warteten auf eine neue Karte. Alle sahen ihn an. John Law, der Großmeister der Wahrscheinlichkeitsrechnung, der Virtuose, der geniale Denker und Stratege, saß in Gedanken versunken am Spieltisch und starrte ungläubig in die Runde, als könne er kaum begreifen, was ihn in dieses Ridotto verschlagen hatte.
     
    In den frühen Morgenstunden des 2. Dezember 1723 brachte Saint Simon dem Regenten ein neues Schreiben von John Law aus Venedig. Er wurde vom Kammerdiener bis ins Schlafgemach des Duc d'Orleans geführt. Seit die Witwe d'Orleans gestorben war, hatte der Regent den Halt vollends verloren und das Sitzungszimmer mit dem Schlafzimmer vertauscht.
    »Monsieur«, begann Saint Simon, »darf ich Sie an Ihr Versprechen erinnern, Monsieur Law of Lauriston die Rückkehr nach Paris zu gestatten, falls die Untersuchung gegen ihn seine Unschuld beweist? Darf ich Sie weiter darum bitten, Madame Law endlich die beantragten Passierscheine auszustellen, nachdem die Unschuld ihres Ehemannes bestätigt wurde?«
    Saint Simon stand vor dem Bett und wartete geduldig die Antwort des Duc d'Orleans ab. Dieser lag in den Armen der Herzogin Marie-Therese de Falaris wie ein Säugling, der an der Brust seiner Amme eingeschlafen war. Die Herzogin saß aufrecht, mit entblößtem Oberkörper. Mechanisch strich sie ihrem Liebhaber über das schüttere Haar.
    »Er hört sie nicht«, sagte sie nach einer Weile.
    »Wann darf ich es erneut versuchen, Madame?«
    »Der Duc d'Orleans ist tot«, antwortete die Herzogin.
     
    Im Frühjahr 1724 warf eine schwere Erkältung John Law erneut aufs Krankenbett.
    »Venedig ist schlecht für Ihre Lungen, Vater«, sagte sein Sohn, als er den heißen Tee brachte.
    »Hast du die Briefe abgeschickt?«, fragte John Law besorgt.
    »Ja, Vater, es dauert. Es dauert Wochen, bis die Briefe ankommen, und nochmals Wochen, bis wir Antwort erhalten.«
    »Ja, ja«, entgegnete John Law unwirsch und versuchte sich aufzurichten, »deine Mutter muss Paris verlassen, sie muss fliehen. Man wird ihr nie Passierscheine ausstellen. Jetzt, wo der Regent gestorben ist und das Parlament eine neue Untersuchung gegen mich angeordnet hat, besteht kein Grund zur Hoffnung mehr. Achthundert Untersuchungsbeamte hat das Parlament dafür eingestellt, achthundert! Ich werde es nicht mehr erleben. Man wird mich freisprechen, aber ich werde es nicht mehr erleben. Nur mein Tod kann euch retten. Erst nach meinem Tod werden sie sich endlich eingestehen, dass ich arm wie eine Kirchenmaus gestorben bin.«
    »Vater, wer denkt hier ans Sterben?«, flüsterte der Sohn und strich dem Kranken mit einem feuchten Tuch den Schweiß von der Stirn.
    »Der Duc d'Orleans war neunundvierzig Jahre alt, John ... ich werde bald dreiundfünfzig ...«
    »Sie werden nicht sterben,Vater, glaubt mir, es ist nichts als eine Erkältung.«
    »Ja, ja«, scherzte John Law, nachdem er den wohltuenden Tee getrunken hatte, »ich werde wohl der erste Mensch sein, der Unsterblichkeit erlangt.«
     
    Catherine und Kate unternahmen am 24. Januar 1724 einen Fluchtversuch. Sie hatten so viel mitgenommen, wie sie in der Kutsche unterbringen konnten. In einem Waldstück in der Nähe von Orleans wurden sie von Reitern der königlichen Garde gestellt. Nach ihrer Rückführung nach Paris wurde ihnen eröffnet, dass sie jeglichen Besitz verloren hätten. Ihr gesamtes Vermögen war von der Krone konfisziert worden.
    Catherine und Kate mieteten sich in der Dachkammer einer Pension ein. Selbst die Mittel, um einen Brief schreiben und abschicken zu können, mussten sie sich von Freunden erbetteln. Catherine schrieb ihrem Mann, dass in Paris eine neue Verfügung erlassen worden sei, wonach jedermann, der glaubte, durch John Law Geld verloren zu haben, sich bei den achthundert Untersuchungsbeamten melden durfte. Über eine halbe Million Menschen sollen sich darauf gemeldet haben ...
    Dass sie nun in einer erbärmlichen Absteige hauste, davon schrieb sie ihrem Mann nichts.
     
    Als John Law sich im Frühjahr von seinem Fieber erholt hatte, führte er seinen Sohn in eine große Lagerhalle,
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